Palazzo Ducale

Palazzo della Signoria

 

von Christian Schaller

Der Palazzo Ducale in Venedig und der Palazzo della Signoria in Florenz

Venedig und Florenz gehören sicherlich zu den Highlights einer Italienrundreise. Beide Städte gewannen vor allem im späten Mittelalter massiv an Größe, Reichtum und Macht und zählten in der Renaissance zu den wichtigsten Metropolen Europas. Die gigantische Kuppel des Florentiner Doms über den roten Dächern der Stadt oder der anmutige Bogen der Rialtobrücke über den Canal Grande, gesäumt von zahlreichen Geschäften, sind weltweit bekannte und beliebte Ansichten.

So wichtig Religion und Wirtschaft in der damaligen Zeit auch waren, die eigentlichen Zentren der Macht lagen in beiden Städten woanders. In der Republik Florenz war dies der Palazzo Vecchio, der Alte Palast, der ursprünglich Palazzo della Signoria genannt wurde, also der Palast des Stadtparlaments. In Venedig regierte der Doge als Stadtoberhaupt und sein Sitz war der Palazzo Ducale, der Dogenpalast am Markusplatz. In diesem Beitrag werden diese bedeutenden Bauten und Machtzentren vorgestellt und beleuchtet. Die Zeit, in der beide Profanbauten errichtet wurde, also das 14. Jahrhundert, gehört in das späte Mittelalter. Der vorherrschende Stil zur Zeit ihrer Errichtung war die späte Gotik, die jedoch rasch von der Renaissance abgelöst wurde.

Das ganze Mittelalter hindurch, bis ins 14. Jahrhundert hinein, gab es noch mehrere Pestepidemien, die schlimmste davon 1348, bei der ein großer Teil der Bevölkerung Europas starb. Besonders schrecklich wütete diese Pestwelle wohl in den italienischen Städten. Es folgten Krisen in Landwirtschaft, Bergbau und Handel. Gesellschaft und Kultur begannen, sich in den darauffolgenden Jahrzehnten grundlegend zu wandeln. Die Veränderungen betrafen die Politik, die Wirtschaft aber auch die Geisteswelt. Das Lebensgefühl wurde nach den Jahren des Leids langsam wieder positiver und diesseitsbezogener. Diese Änderungen und Anschauungen sollten der Ursprung dessen sein, was später fließend in die Epoche der Renaissance überging.

Bereits die Auswirkungen und letzten Ausläufer der Pest konnten den regelrechten Bauboom im 14. und 15. Jahrhundert, also in der späten Gotik und in der frühen Renaissance, nicht bremsen. Dies betraf sowohl sakrale als auch profane Bauten. Florenz war in dieser Zeit nach wie vor führend in der Textilindustrie und später im Bankwesen. Venedig dagegen hatte weitreichende Handelsbeziehungen in den östlichen Mittelmeerraum und damit eine enge Bindung an das Byzantinische Reich.

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Der Palazzo Vecchio in Florenz

Der Bau des Palazzo Vecchio begann 1299 und damit sechs Jahre nach der Machtübernahme durch die Florentiner Zünfte. Wie in vielen Städten des späten Mittelalters wurden die Handwerker von Florenz immer einflussreicher und selbstbewusster, bis sie schließlich auch die Regierungsbeteiligung forderten und erlangten. Das Gebäude galt seinerzeit als riesig. War es bei seinem Bau noch überdimensioniert für das politische Tagesgeschäft von Florenz, platzte es als Herz der prosperierenden Metropole Mitte des 15. Jahrhunderts tatsächlich bereits aus allen Nähten.

Palazzo Vecchio; ©Eagleeye56

Es war ein Symbol für das Selbstbewusstsein und den Patriotismus der neuen herrschenden Klasse, sollte das Regime aber auch vor gewaltsamen Übergriffen und den bürgerkriegsähnlichen Straßenkämpfen beschützen, die es in Florenz durchaus öfters gab. Deshalb war es auch absichtlich wehrhaft gehalten, fast wie eine Burg. Während die unteren Stockwerke massiv und defensiv wirkten, so änderte sich dies in den oberen Stockwerken, die immer graziler dem Himmel entgegenstrebten.

Der weithin sichtbare Turm war hierbei charakteristisch für Rathäuser. Er lässt sich auf die Tradition der mittelalterlichen Adelshäuser mit ihren Geschlechtertürme zurückführen, wie man sie heute noch in San Gimignano in der Toskana oder – wenn man ein deutsches Beispiel will – in Rothenburg ob der Tauber sehen kann.

Mehr noch, im Mittelalter sollten Bauten Würde und Macht ausstrahlen, ein Bedürfnis, welches gerade im Rückblick auf die antike römische Architektur wuchs, deren Ruinen überall in Italien zu finden waren. Typische Zeichen dieser angestrebten Würde waren in Florenz und in den Bauformen der Gotik vor allem die Biforienfenster und die grobe Rustizierung, wie sie auch am Palazzo Vecchio gewissermaßen in Paradeform vorkommen. Biforien oder auch gekuppelte Fenster bezeichnen eine breite Fensteröffnung, die noch einmal durch eine oder mehrere Stützen unterteilt ist, während eine rustizierte Wand eine raue Oberfläche und starke, tiefe Fugen besitzt, die dem Bauwerk einen groben und trutzigen Charakter verleihen soll. Auch die kunstvollen Zinnen des Palazzos, die ihrem Ursprung nach der Wehrhaftigkeit dienten, wurden zu einer Form der Erhabenheit – Stichwort ist dabei die magnificentia, die vom Humanisten Giovanni Pontano (1429-1503) als „das rechte Maß im Entfalten von Aufwand” definiert werden sollte.

Beim Palazzo Vecchio und den meisten anderen Gebäuden aus dieser Zeit spielte zudem die Symmetrie eine wichtige Rolle. Kirchen, Burgen und Paläste waren im Mittelalter so gut wie immer symmetrisch aufgebaut. Beim Palazzo Vecchio war das aus räumlichen Gründen nicht möglich. Der Grundriss ist unregelmäßig, was einige zeitgenössische Autoren als beklagenswert befanden. Auch der Innenhof erscheint quadratisch, musste aber noch nachträglich durch geschickt gesetzte Portiken korrigiert werden. Um 1400 spiegelte sich die angestrebte Symmetrie dann auch in den neu gebauten Palazzi der wohlhabenden Florentiner wider. Der Bauboom dieser Tage war nicht zuletzt dem aufsteigenden und finanzkräftigen Bürgertum zu verdanken. Auch der berühmte Palazzo Medici, ab 1444 von Michelozzo entworfen, orientierte sich mitunter am Palazzo Vecchio.

Der Palazzo Ducale in Venedig

Palazzo Ducale; ©a_lanzini

Auch in Venedig hatte eine Gesellschaftsschicht die eigentliche Macht in der Lagunenstadt an sich gerissen. Anders als die Handwerker und Zünfte in Florenz waren es hier jedoch die Patrizier und Adligen. Dennoch bediente sich die herrschende Aristokratie über 500 Jahre lang eines republikanischen Regierungssystems. Das Oberhaupt der Seerepublik Venedig war seit dem frühen Mittelalter der Doge, ein auf Lebenszeit gewählter Herrscher.

Bereits im Mittelalter waren dessen Befugnisse jedoch so stark reduziert worden, dass er nur noch als ein streng beaufsichtigter Repräsentant seines Staates gelten konnte. Nichtsdestotrotz fiel seine Residenz prachtvoll und großzügig aus und prägt bis heute das Stadtbild. Der Palazzo Ducale, der Dogenpalast am berühmten Markusplatz, besaß zwei Vorgängerbauten, von denen heute nichts mehr erhalten ist. Im neunten Jahrhundert wurde der venezianische Machtsitz zum ersten Mal an diesen Ort verlegt. Es entstand ein Kastell, das jedoch 976 einem Brand zum Opfer fiel. Erst knapp 200 Jahre später wurde ein neuer Palast an dieser Stelle erbaut, der mit drei Flügeln einen Innenhof umschloss. Ab 1340 wurde diese Anlage zum heutigen, gotischen Bauwerk umgestaltet. Die Umbauten sollten bis in das 15. Jahrhundert andauern. Die Fassaden wurden zuletzt auch vereinheitlicht, sodass der Palast dem heutigen Betrachter wie aus einem Guss erscheint.

Im Jahr 1438 begann zudem der Bau der Porta della Carta, die eine Verbindung zum direkt anschließenden Markusdom herstellte und damit die enge Verbundenheit zwischen dem Palast im Süden und der Kirche im Norden hervorhob. Die zum Platz und zur Lagune gerichteten Fassaden besitzen durch ihre durchgehenden Arkadengänge und das darüberliegende Loggiageschoss eine unglaubliche Offenheit. Der Innenhof war der Öffentlichkeit gewissermaßen zugänglich. Eine geschlossene Architektur und durchgezogene Wände lassen sich erst in den oberen Stockwerken finden, wo sie beinahe schwer auf den luftigen Bögen zu lasten scheinen.

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Der größte Raum war und ist der Saal des Großen Rates, des zentralen Elements der venezianischen Regierung. Die Wohnung des Dogen nimmt nur eine untergeordnete Rolle im Palast ein. Der Palazzo Ducale beinhaltete bereits in seiner ersten Form judikative, exekutive und legislative Macht in einem Gebäude, war also eine kollektive Residenz für die gesamte Republik. Die Bautradition galt in Venedig als sehr wichtig, so wurden auch die Herrschaftshäuser der aristokratischen Familien über Jahrhunderte stets nach dem gleichen Prinzip errichtet. Trotzdem kam die Gotik über Norditalien nach Venedig, mit den Steinmetzen in ihren umherziehenden Bautrupps, die für das Mittelalter so typisch waren. Nirgendwo auf der Welt gibt es noch so viele erhaltene gotische Profanbauten wie in Venedig und vor allem am Dogenpalast kann man die fremden Einflüsse am deutlichsten sehen.

Das große Selbstbewusstsein der Regierung zeigt sich auch darin, dass Bauwerke aus allen großen Stilepochen, sei es nun die Gotik, die Renaissance oder der Barock, spezifisch venezianische Abwandlungen und Anpassungen besitzen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist natürlich der immer größere Einflussbereich Venedigs. Die Stadt war im frühen Mittelalter noch ein Außenposten des byzantinischen Reiches, aber schon bald eigenständig, trotzdem noch immer mit Byzanz verbunden. Es wurde im Spätmittelalter der Dreh- und Angelpunkt für den Handel zwischen Ost und West. Die verschiedenen Körperschaften und der Doge wollten ihren Reichtum und ihre Macht natürlich auch angemessen zeigen und dafür benötigten sie einen repräsentativen Amtssitz.

Der Palazzo Ducale ist vertikal ausgerichtet, er führt den Blick in die Länge. Der Eindruck monumentaler Breite ist ebenso gewollt, wie die gleichzeitige Wirkung von Leichtigkeit, Offenheit, Eleganz und Lichtdurchlässigkeit. Sogar die weiße und rosa-weiße Gestaltung der wuchtigen oberen Stockwerke unterstreicht dies. Der Palast „verdichtet“ sich mit jedem Stockwerk. Im Erdgeschoss weite Bögen, darüber enge Bögen und schließlich eine geschlossene Mauer – genau das architektonische Gegenstück zum Palazzo Vecchio in Florenz.

Palazzo Ducale; ©Marcosssssssss

Betrachtet man Venedig aus der Vogelperspektive, erkennt man recht schnell einen deutlichen Unterschied zu anderen mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Städten: Es gibt nämlich keine Mauern. Die Insellage mitten in der Lagune war schon immer offen und von allen Seiten zugänglich, sofern man ein Schiff besaß. Dazu kommen die zahllosen Kanäle, die tief in die Stadt hineinführen. Es gibt anders als in Florenz keine burgähnlichen Adelspaläste mit Geschlechtertürmen und Mauern. Venedig war von Anfang an auf den Handel angewiesen. Es musste von Anfang an weltoffen sein. Und ab einem bestimmten Zeitpunkt war die Stadt dann auch mächtig genug, um mit seiner Position sehr selbstbewusst umzugehen und sie zu einem Element seiner Machtpräsentation zu machen.

Fazit

Florenz und Venedig bieten auf den ersten Blick zwei verschiedene Eindrücke davon, wie Macht präsentiert werden kann, einmal durch Geschlossenheit und Wehrhaftigkeit, dann wieder durch Offenheit und Einsichtigkeit. Die Raumkonzepte beider Gebäude spiegeln die urbane Macht auf ihre individuelle Weise wider.

Architektur hat nicht nur einen praktischen, sondern auch einen gesellschaftlichen und sozialen Nutzen. Man erkennt die wichtigen Gebäude meistens an ihrer Form, Größe, Kostbarkeit und Schönheit. Aber nicht allein die Großartigkeit, sondern auch der Stil konnte gesellschaftlichen Wert haben. Man verband die Renaissance stets mit Fortschritt, Nutzen und Humanität. Die Regierungen von Venedig und Florenz, aber auch Rom und zahlreichen anderen Städten, übernahmen den neuen Stil mitunter auch wegen seiner symbolischen Bedeutung. Man lehnte sich gern an die Antike an, nicht nur in Italien. In Venedig bedeutete das wiederum nicht die Anlehnung an Rom, sondern an das Zweite Rom im Osten, an Konstantinopel und das Byzantinische Reich.

Trotzdem fanden sich gotische Formen noch bis weit ins 16. Jahrhundert hinein, nördlich der Alpen manchmal sogar noch länger. Die Gotik galt zwar in der Zeit von Renaissance und Humanismus oft als barbarisch und altmodisch, ihr wurde aber eben auch eine gewisse Würde und Tradition zugesprochen. Sowohl der Palazzo Vecchio als auch der Palazzo Ducale sind grundsätzlich gotisch. Es gab bei beiden Gebäuden zahlreiche Gelegenheiten zum Neu- oder Umbau und teilweise wurden auch Elemente der Renaissance oder anderer Stilepochen hinzugefügt, von der Inneneinrichtung ganz zu schweigen. Aber in ihrer Grundform hat man den Stil der beiden Gebäude nie grundlegend umgewandelt, auch weil man darin Tradition und Legitimierung sah.

Beide Gebäude sind seit Jahrhunderten prägend für das jeweilige Stadtbild. Beide Gebäude sind stilprägend für die Architektur ihrer Heimatstädte und auch darüber hinaus. Und beide Gebäude sind bedeutende Profanbauten der späten Gotik und der frühen Renaissance und zugleich ein Ausdruck für Raumkonzepte städtischer Macht, einmal durch Geschlossenheit und einmal durch Offenheit.

 

Verwendete Literatur
  • Günther, Hubertus: Was ist Renaissance?. eine Charakteristik der Architektur zu Beginn der Neuzeit, Darmstadt 2009.
  • Jestaz, Bertrand: Die Kunst der Renaissance, in: Ars antiqua / 3. große Epochen der Weltkunst, Freiburg 1985.
  • Rubinstein, Nicolai: The Palazzo Vecchio. 1298-1532 ; government, architecture, and imagery in the civic palace of the Florentine Republic, in: Oxford-Warburg studies, Oxford 1995.
  • Crum, Roger J.: Renaissance Florence. a social history, Cambridge 2006.
  • Zorzi, Alvise: Paläste in Venedig, München 1989.
  • Lauritzen, Peter: Venezianische Paläste, München 1980.
  • Wolters, Wolfgang: Der Bilderschmuck des Dogenpalastes. Untersuchungen zur Selbstdarstellung der Republik Venedig im 16. Jahrhundert, Wiesbaden 1983.

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