Der Basilisk

 

von Katharina Mölk

Es ist nicht immer gleich offensichtlich, wo sich die Antike in Österreich zeigt. Auch abseits von Museen und Ausgrabungsstätten ist sie zu finden. Z. B. wenn wir uns eine der bekanntesten Sagen Wiens näher ansehen: die Sage vom Basilisk.

In der Schönlaterngasse Nr. 7 im ersten Bezirk befindet sich ein Haus, das an die sagenumwobenen Geschehnisse im Jahre 1212 erinnert.

Hier soll sich im mittelalterlichen Hausbrunnen ein Untier aufgehalten haben: ein Basilisk! Ein Basilisk ist ein Fabelwesen, das aus einem Ei schlüpft, welches ein Hahn gelegt und eine Kröte ausgebrütet hat. Sein Atem und sein Blick sind tödlich.

Nachdem die Magd des Bäckers, der im Hause lebte, das Untier entdeckt hatte, überlegten die Menschen, wie man sich des Monsters entledigen könnte. Ein kundiger Mann gab den Rat, dass man sich dem Biest mit einem Spiegel nähern sollte. Der junge Bäckergeselle Hans erklärte sich bereit, die Tat auszuführen, da er sich Hoffnungen auf die Hand der schönen Bäckerstochter machte. Er wurde an einem Seil in den dunklen Brunnen hinuntergelassen. Er hielt den Spiegel schützend vor sich und tatsächlich: Als sich der Basilisk selbst im Spiegel erblickte, versteinerte er vor Schreck. Der Brunnen wurde daraufhin mit Steinen bedeckt und Hans durfte die Bäckerstochter heiraten.

Eine Gedenktafel und eine Abbildung der Sage befinden sich noch heute an dem Haus in der Schönlaterngasse.

Doch was hat diese Geschichte nun mit der Antike zu tun?

Tatsächlich soll sich der kundige Mann, der die Anweisung gab, wie der Basilisk zu töten sei, auf den antiken Schriftsteller Plinius d. Ä. (1. Jh. n. Chr.) bezogen haben. Dieser beschreibt das Untier wie folgt:

„Durch sein Zischen verjagt er alle Schlangen und bewegt nicht, wie die anderen, seinen Körper durch vielfache Windungen, sondern geht stolz und halb aufgerichtet einher. Er lässt die Sträucher absterben, nicht nur durch die Berührung, sondern auch schon durch den Anhauch, versengt die Kräuter und sprengt Steine: eine solche Stärke hat dieses Untier.

Man glaubte, dass jemand ihn einst zu Pferde mit einem Speer erlegt habe und dass das wirkende Gift an diesem emporstieg und nicht nur dem Reiter, sondern auch dem Pferd den Tod brachte. Und dieses gewaltige Ungeheuer – denn häufig haben Könige es tot zu sehen gewünscht – wird durch die Ausdünstung des Wiesels umgebracht: so sehr gefiel es der Natur, nichts ohne etwas Gegenkraft zu lassen. Man wirft die Wiesel in die Höhlen [der Basilisken], die man leicht an dem ausgedörrten Boden erkennt. Diese töten durch ihren Geruch, sterben aber zugleich selbst, und der Streit der Natur ist bereinigt.“ 

© Katharina Mölk

Tatsächlich gehen die Beschreibungen eines Basilisken noch viel weiter zurück, nämlich ins 5. Jh. v. Chr., wo ihn der griechische Philosoph Demokrit erwähnt. Die Erzählungen haben sich im Laufe der Zeit erweitert, verändert und mit der Sage von der schauerlichen Medusa vermischt. Diese hat nämlich ähnliche Kräfte und ein ähnliches Schicksal.

Die Medusa ist im griechischen Sagenkreis eine von drei Gorgonen und Tochter der Meeresgötter Keto und Phorkys. Sie soll die einzig sterbliche, aber auch die schönste der drei Schwestern gewesen sein und sich selbst besonders wegen ihres wunderbaren Haares gerühmt haben. Dies zog die Eifersucht der Göttin Athene auf sie; diese verfluchte Medusa, so dass sie ein Scheusal wurde, bei dessen Anblick jeder zu Stein erstarrte – ihre schönen Haare wurden zu Schlangen.

Der Mythos erzählt weiter, dass der junge Held Perseus sich auf den Weg machte, um die furchtbare Medusa zu töten. Er erhält dazu Hilfe von den Göttern: geflügelte Schuhe, eine Tarnkappe, eine Sichel und das Schild der Athene. Er dringt in die Höhle der Medusa ein, in der sich unzählige versteinerte Gestalten befinden. Um nicht auch zu versteinern, blickt er nur in den Schild, in dem sich die Umgebung spiegelt. So kann er sich Medusa nähern und enthauptet sie.

Dieser Mythos war in der Antike sehr beliebt und wurde mit der Renaissance ein beliebtes Motiv für Gemälde und Wandbilder. Ein beeindruckendes Beispiel dafür findet sich vom Maler Peter Paul Rubens im Kunsthistorischen Museum in Wien, auf dessen Gemälde sich das abgeschlagene Haupt der Medusa in seiner ganzen Schrecklichkeit zeigt. Tatsächlich findet man das Motiv aber auch an vielen anderen Orten, z. B. auch im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek. Dort vertreibt ein Putto im Deckengemälde, bewaffnet mit dem Schild der Athene, das das Haupt der Medusa zeigt, die Schreckensgestalten aus der Bibliothek.

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