St. Ulrich und Afra in Augsburg

 

von Christian Schaller

Der hohe Turm der ehemaligen Benediktinerabtei St. Ulrich und Afra dominiert die südliche Altstadt von Augsburg und stellt damit ein städtebauliches Gegenstück zum Dom im Norden und dem monumentalen Rathaus im Herzen der Stadt dar. In dem gewaltigen spätgotischen Münster befinden sich nicht nur wertvolle Kunstschätze und zahlreiche Kapellen der Familie Fugger, sondern auch die Grablegen der drei Bistumspatrone und Stadtheiligen Afra, Simpert und Ulrich.

Die Stadt Augsburg ist eine Römergründung. Das antike Stadtzentrum der Provinzhauptstadt und unangefochtenen Metropole des Voralpenlandes befand sich auf dem Gebiet des heutigen Domviertels, dem Nordteil der heutigen Augsburger Altstadt. Von dort führte die Via Claudia, eine große Straße, in Richtung Italien im Süden. Nach römischer Sitte lagen die Friedhöfe stets außerhalb der Städte und Siedlungen, meist entlang der zentralen Ausfallstraßen. Auf dem Gelände des heutigen Ulrichmünster bestand ebenfalls bis in die Spätantike hinein ein großes Gräberfeld.

Hier fand auch die Märtyrerin Afra ihre letzte Ruhe, nachdem sie in einer der letzten großen Christenverfolgungen durch Kaiser Diocletian im Jahr 304 auf einer Insel im Lech bei lebendigem Leib verbrannt worden war. Bereits im sechsten Jahrhundert ist eine Pilgerstätte für die spätere Heilige bezeugt. Immer mehr Christen wollten sich in nächster Nähe zu Afra begraben lassen. Als Ursprung ist eine spätrömische Kirche nachgewiesen, die im 7. Jahrhundert durch eine merowingische Anlage ersetzt wurde.

Im Laufe der Jahrhunderte wuchs die Verehrung und um das Jahr 800 wählte auch Bischof Simpert, ein Verwandter Karls des Großen, die Wallfahrtsstätte als seinen letzten Ruheort aus. Im Zuge der berühmten Schlacht auf dem Lechfeld im Jahr 955 wurde dieser karolingische Bau durch die Ungarn zerstört. Der damalige Bischof Ulrich, der die Stadt gegen die anstürmenden Feinde halten konnte, erneuerte nach gewonnener Schlacht den Sakralbau und ließ sich 973 ebenfalls bei der Heiligen Afra und bei seinem Vorgänger Simpert beerdigen.

Ulrich wurde bereits 993 heiliggesprochen – angeblich der erste in einem päpstlichen Heiligsprechungsverfahren bestätigte Heilige. Afra wurde 1064, Simpert erst 1468 offiziell heiliggesprochen. Aufgrund der spätrömischen Tradition und frühmittelalterlicher Heiligenverehrung wurde somit das spätere Kloster St. Ulrich und Afra die Grablege der drei Stadtheiligen – und nicht der Dom als Hauptkirche der Stadt. Der Ort ist damit eine Keimzelle des Christentums in Augsburg und eine der ältesten, kontinuierlich genutzten Kultstätten des Christentums in Deutschland.

Die katholische Basilika mit dem 93 Meter hohen Afraturm, links und Wand an Wand daran anschließend die kleinere, protestantische Kirche, ©ChristianSchaller

Baugeschichte von St. Ulrich und Afra

Bereits im frühen Mittelalter war langsam ein Konvent entstanden. Die Heiligsprechung des bei St. Afra begrabenen Bischof Ulrichs begründete 993 das bis heute bestehende Doppelpatrozinium St. Ulrich und Afra. Um 1012 übergab der damalige Bischof Brun das Stift an den Benediktinerorden, der spätestens nach der Heiligsprechung Afras 1064 eine Doppelkirche über den beiden Gräbern errichten ließ. Bereits zu dieser Zeit begann sich der ehemals außerhalb der eigentlichen Stadt Augsburg gelegene Pilgerweg zum Afragrab im Süden zu einem beidseitig bebautem Straßenmarkt zu entwickeln, der bis in die Gegenwart die Hauptachse der Stadt werden sollte.

Nach mehreren Umbauten und Einstürzen wurde 1474 der Grundstein für den monumentalen Neubau gelegt, der 140 Jahre dauern sollte und bis heute Bestand hat. Erst 1594 wurde der markante Turm vollendet, 1607 erfolgte die feierliche Schlussweihe. St. Ulrich und Afra zählt zu den letzten großen spätgotischen Kirchenbauten in Schwaben und der zwiebelförmige Turmhelm wurde zum Vorbild für barocke Kirchen in ganz Bayern. Die dreischiffige Basilika besitzt ein siebenjochiges Langhaus, zahlreiche Seitenkapellen, ein Querhaus und einen langestreckten Polygonalchor mit hohen Maßwerkfenstern und geschwungenen Giebelfassaden.

Kirchenschiff der katholischen Basilika St. Ulrich und Afra, ©ChristianSchaller

Im Zuge der Reformation und Konfessionalisierung während des 16. Und 17. Jahrhunderts entwickelte sich Augsburg zu einer bikonfessionellen und paritätischen Reichsstadt. Katholiken und Protestanten lebten eng zusammen. Aus dem ehemaligen Predigtsaal und Eingang zur Basilika entwickelte sich ab 1526 die evangelische Kirche St. Ulrich. Mit ihrem niedrigen, barockisierten Giebelbau drängt sie sich im rechten Winkel an die größere Basilika und bildet einen markanten Abschluss der Maximilianstraße, der zentralen Achse Augsburgs.

St. Ulrich und Afra ist damit eine paritätische Doppelkirche. Das Langhaus ist mit 93,5 Metern etwa genauso lang, wie der sogenannte Afraturm hoch ist. Der Glockenturm besitzt achteckige Obergeschosse und besitzt eine Gliederung aus Okuli und Ovalfenstern sowie eine Zwiebelkuppel. Mit diesen Details ist er bereits eher dem Barock zuzurechnen und steht damit in einem Kontrast zur nüchternen Strenge der Basilika. Zahlreiche ehemalige Klostergebäude wurden nach der Säkularisierung um 1806 abgerissen, der Kreuzgang beispielsweise erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Lediglich an der nicht öffentlich zugänglichen Südostseite hat sich die St. Godehard – Kapelle aus der Merowingerzeit erhalten.

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Innenraum der katholischen Basilika St. Ulrich und Afra

Das Langhaus ist 93,50 m lang, 27,50 m breit und 30 m hoch.

Im Inneren fallen sofort die gestalteten Decken ins Auge, die mit spätgotischen Stern- und Netzgewölben überzogen sind, die sich zu kunstvollen Figurationen verästeln. Im Südschiff lässt sich eine Reihe prächtiger Seitenkapellen finden, unter anderem auch der Baldachin der Grablege des heiligen Simpert.

Auffällig sind auch die drei riesigen Hauptaltäre von St. Ulrich und Afra. Sie wurden 1604 bis 1607 vom Weilheimer Holzschnitzer Hans Degler geschaffen und zeigen die drei höchsten christlichen Feiertage – Weihnachten, Pfingsten und Ostern. Die mehrgeschossigen Holzaufbauten tragen zahlreiche bunt bemalte Figuren. Die Altarrückseiten sind ornamental bemalt. Im Hauptaltar im Ostchor wird im Mittelschrein die Geburt Christi dargestellt. Im oberen Teil erkennt man die Krönung der Maria, seitlich die Hl. Petrus und Paulus. Die Seitenaltäre sind nur viergeschossig aufgebaut, befinden sich aber auf Stufenpodesten mit Marmorbalustraden. Der nördliche Altar befindet sich direkt über dem Afragrab. Er stellt Szenen aus ihrem Leben wie Afras Verweigerung des Götzenopfers und ihre Hinrichtung, aber auch das Pfingstwunder dar.

Verbindendes Glied ist hier das Feuer. Die heilige Afra wurde verbrannt und dadurch zur Märtyrerin, während der Heilige Geist an Pfingsten wie Flammenzungen unter die Jünger Jesu kam. Der Ulrichsaltar im Süden befindet sich wiederum über Ulrichs Grab. Die Auferstehung Christi im Mittelschrein wird von den Skulpturen der Hll. Ambrosius und Augustinus flankiert. Hier wird das segensreiche Wirken des frühmittelalterlichen Bischofs direkt mit der Auferstehung Christus an Ostern in Verbindung gesetzt.

Frühbarocke Holzaltäre von Hans Degler, in der Mitte die bronzene Kreuzgruppe von Hans Reichle, ©ChristianSchaller

Die drei Altäre vereinen Stilmittel der Renaissance und des Frühbarock, sind jedoch auch in Details altmodisch, volkstümelnd und gotisierend gestaltet, um sich in den spätgotischen Raum einzufügen. Im Mittelschiff vor den drei Altären befindet sich eine von Hans Reichle modellierte und von Wolfgang Neidhardt gegossene Kreuzigungsgruppe aus Bronze. Die Szene mit Christus am Kreuz, Maria Magdalena, Maria und dem Apostel Johannes stammt von 1605.

Direkt unter dem Turm befindet sich die Pieta-Kapelle mit einer wertvollen spätgotischen Pietà in einem Goldrahmen. Direkt daneben befindet sich der Eingang zur Heiltumskammer, in der die wertvollen Kirchenschätze aufbewahrt werden, darunter auch Gegenstände, die dem heiligen Ulrich persönlich gehört haben. Unter den mächtigen Seitenaltären liegt die Unterkirche, die in den 1960er Jahren neugestaltet wurde und die Grabkapellen der namensgebenden Kirchenpatrone Ulrich und Afra beherbergt. Die barocke Ulrichskapelle entstand bereits bis 1765.

Innenraum der evangelischen Ulrichskirche

Grabkapelle des Heiligen Ulrich von Augsburg, ©ChristianSchaller

Die evangelische Kirche ist in Nord-Süd-Richtung angelegt. Vom Ulrichsplatz aus führt eine Freitreppe zum Eingang an der Hauptfassade im Norden der Kirche. Sie entstand aus einem ehemaligen Predigthaus beziehungsweise der Devotionalienmarkthalle der katholischen Basilika, die im Zuge der Reformation an die Protestanten gegeben wurde. Die Fassade ist barockisiert und besitzt Volutengiebel mit einer großen Uhr in der Mitte und einem kleinen Zwiebelturm, der um 1710 angefügt wurde.

Das Innere des weißgetünchten Raumes mit Tonnengewölbe wird von dunkel gehaltener Holzarchitektur, einer auffälligen Kanzel und zahlreichen Tafelbildern beherrscht. An der Südwand befindet sich ein lutherischer Sakramentaltar mit einem Abendmahlgemälde des Barockmalers Johann Heiss aus dem Jahr 1693. Darüber befindet sich die Orgel.

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Öffnungszeiten von St. Ulrich und Afra

Sonntag:   9.00 Uhr, 10.30 Uhr und 18.00 Uhr

Samstag:   18.00 Uhr

Mo-Fr:   9.15 Uhr und 18.00 Uhr

Verwendete Literatur
  • Fuchs, Claudia: Vorbild und Hoffnung. Die Augsburger Bistumspatrone. Afra, Simpert und Ulrich. Lindenberg im Allgäu 2006.
  • Klotz, Sabine: Basilika St. Ulrich und Afra Augsburg. Augsburg 2015.
  • Kluger, Martin: Die Fugger im goldenen Augsburg der Renaissance. Denkmäler erzählen Geschichte. Augsburg 2017.
  • Kreuzer, Georg: Augsburg in fränkischer und ottonischer Zeit (ca. 550-1024). Bischof Ulrich von Augsburg. In: Gottlieb, Gunther u.a. (Hg.): Geschichte der Stadt Augsburg. Von der Römerzeit bis zur Gegenwart. Stuttgart 1984, S. 115-120.
  • Link, Andreas: Die evangelische Ulrichskirche in Augsburg. Berlin 2010.
  • Mezger, Christof (Hg.): Die Heiltumskammer. Der mittelalterliche Reliquienschatz von St. Ulrich und Afra in Augsburg. München 2004.

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