Sankt Moritz

 

von Christian Schaller

St. Moritz in Augsburg

 

Mit einer über tausendjährigen Geschichte ist die Pfarrei St. Moritz im Herzen von Augsburg eine der ältesten noch bestehenden Kirchengründungen der Stadt. Das ehemalige Kollegialstift befand sich an einem der zentralen Marktplätze der Freien Reichsstadt und gilt als ihre wichtigste Bürgerkirche, die zudem eng mit der berühmten Familie Fugger verbunden war und ist. Die lange Tradition und reiche Geschichte wird durch ihre fast schon radikal moderne Umgestaltung durch den Architekten und Designer John Pawson kongenial ergänzt. St. Moritz ist damit eine wichtige Sehenswürdigkeit Augsburgs und ein touristischer Geheimtipp, aber vor allem auch ein Ort der Ruhe und Besinnung inmitten der bayerischen Großstadt.

Im Jahr 1019 wurde die Kirche St. Moritz durch den damaligen Augsburger Bischof Bruno gegründet. Im Mittelalter lag das Areal noch außerhalb der eigentlichen Stadt, entlang der alten römischen Straße Via Claudia, die von der Donau, vorbei am Augsburger Dom und von dort Richtung Süden über die Alpen führte. Der Bischof, der jüngere Sohn des bayerischen Herzogs Heinrich II. des Zänkers und Bruder Kaiser Heinrichs II. des Heiligen, wollte mit dem Sakralbau und einem angegliederten Kollegiatstift eine würdevolle Grablege für sich schaffen.

Es wurde dem heiligen Mauritius gewidmet, dem Schutzpatron des Militärs und des Rittertums. Es war die vierte geistliche Gemeinschaft, die im prosperierenden Augsburg gegründet wurde – nach dem Dom, St. Stephan und St. Ulrich und Afra. Im Laufe der Jahrhunderte stellten Augsburger Patrizier, aber auch auswärtiger Adelshäuser die Pröpste.

Nach mehrmaligen Zerstörungen und Renovierungen wurde ein Neubau ab 1314 in größeren Dimensionen geplant. Diese dreischiffige Basilika legte die bis heute existierenden Maße und Außenmauern fest. Gute hundert Jahre später, in den 1440er Jahren, wurde die Kirche von der Bürgerschaft noch einmal erweitert und ein neuer, gotischer und polygonaler Ostchor gestiftet. Im späten 15. und frühen 16. Jahrhundert wurde der quadratische, freistehende Glockenturm erhöht und mit einer Terrakotta-Balustrade versehen, die bereits Formen der Renaissance spiegelte.

St. Moritz in Augsburg, ©ChristianSchaller

Im Jahr 1510 erwarb Jakob Fugger der Reiche das Präsentationsrecht von Papst Julius II., womit es den Fuggern genehmigt wurde, die Predigerstelle der Kirche zu finanzieren und somit auch zu besetzen. Dieses Recht besteht bis in die Gegenwart. Ab dem späten Mittelalter war die Stadt Augsburg um Stift und Kirche herumgewachsen und St. Moritz befand sich nun in zentraler Lage am wichtigsten Marktplatz der Reichsstadt. In direkter Nachbarschaft war ab 1398 mit dem Weberhaus das Zunftgebäude eines der wichtigsten Wirtschaftszweige der Stadtbevölkerung entstanden, das über Jahrhunderte sogar ein Leitgewerbe innerhalb Augsburgs darstellen sollte.

Direkt an das Kirchenschiff angebaut befand sich auch die Kornschranne, ein städtischer Getreidespeicher. Während der Reformation wurde der alte Westchor, in dem sich höchstwahrscheinlich auch das Grabmal des Stifters Bruno befand, abgerissen. Ab 1714 barockisierte der Künstler Johann Jakob Herkomer aus Füssen den Bau. Im Jahr 1803 wurde St. Moritz im Zuge der Säkularisierung in eine Stadtpfarrkirche umgewandelt.

Die prachtvolle Barockgestaltung wurde zusammen mit zahlreichen qualitätvollen Kunstwerken während der Augsburger Bombennacht Ende Februar 1944 zerstört. Nur die Grundmauern und der Turm überlebten den Zweiten Weltkrieg. Bereits 1946 wurde der Wiederaufbau in Angriff genommen und niemand Geringerem anvertraut als einem der bedeutendsten Kirchenbauer des 20. Jahrhundert, Dominikus Böhm (1880-1955). Der Architekt galt als ebenso expressiv und modern wie auch der Tradition verpflichtet. Er projektierte einen dekorationslosen, fast schlichten Kirchenraum, der auf dekorative Elemente wie barocken Stuck verzichtete und gleichzeitig an frühromanische Bauformen und Raumgedanken gemahnen sollte.

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Anfang des 21. Jahrhunderts wurde erneut eine Neugestaltung beschlossen, nachdem zahlreiche Umbauten den ehemals schlichten, aber gelungenen Raumeindruck stark verändert hatten. Der Auftrag wurde erneut an einen weltweit berühmten Architekten und Designer vergeben, den Briten John Pawson. Er vereinte die Vision der Kirchengemeinde von einem offenen, innovativen Raum mit der grundlegenden, zeitlosen Sehnsucht nach Religiosität und Spiritualität. Bei der 2013 wiedereröffneten Moritzkirche gelang ihm eine minimalistische und klare Reduktion auf das Wesentliche: gelungene Lichtführung, puristisches Weiß und erneut Verzicht auf Dekor.

Die wertvollen, barocken Apostelfiguren, die den Zweiten Weltkrieg überlebt hatten, fanden ihren Platz im Seitenschiff, während die Skulptur des Christus Salvator von dem berühmten Augsburger Bildhauer Georg Petel, dem „deutschen Michelangelo“ zentral in der lichtdurchfluteten Apsis des Hauptschiffes aufgestellt wurde, wo er unweigerlich den Blick jedes Besuchers auf sich zieht.

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Literaturhinweise:

Jesse, Horst: Die Geschichte der Evangelischen Kirche in Augsburg. Pfaffenhofen 1983.
Müller, Gernot Michael (Hg.): Das ehemalige Kollegiatstift St. Moritz in Augsburg (1019–1803). Geschichte, Kultur, Kunst. Lindenberg im Allgäu 2006.
Müller, Gernot Michael (Hg.): Die Kirche St. Moritz in Augsburg. Lindenberg im Allgäu 2019.

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