Sant‘ Ivo alla Sapienza in Rom
von Anja Weinberger
Sant‘ Ivo alla Sapienza in Rom
von Anja Weinberger
Die ewige Stadt hat viele schöne Kirchen zu bieten, aber eine von ihnen ist aus mehreren Gründen außergewöhnlich.
Sant‘ Ivo alla Sapienza ist eines der Meisterwerke Francesco Borrominis. Das ist jener geniale Baumeister des Barock, der meist im Schatten seines ebenso genialen, aber wesentlich geschickteren und umgänglicheren Kollegen Gian Lorenzo Bernini stand und steht.
Sant Ivo, © pixabay
Man betritt die Kirche durch den Arkadenhof der alten Universität, der Sapienza. Borromini erhielt 1632 den Auftrag, die kleine Universitätskirche durch einen schmuckeren, repräsentativeren Bau zu ersetzen und schon 1650 konnte die neue Kirche geweiht werden. Beim Durchqueren des harmonischen Innenhofes stellt man schnell fest, dass Borromini die neue Fassade geschickt an die Proportionen des alten Universitätsgebäudes angepasst hat.
Offiziell wurde die Kirche fünf Heiligen geweiht, die den fünf Fakultäten der damaligen Universität zugeordnet werden konnten. Für die Theologie war es der heilige Papst Leo der Große, für die Philosophie die heilige Katharina von Alexandrien, für die Medizin der heilige Pantaleon, für die Kunst der heilige Lucas und schließlich der heilige Ivo für die Jurisprudenz.
Ein interessanter Heiliger ist das und einer, der eher selten zu finden ist. Sant‘ Ivo, eigentlich Saint Yves, das ist Erwan Helouri a Gervarzhin, ein bretonischer Heiliger, der von 1253 bis 1303 lebte. Er galt als Anwalt der Armen, ist bretonischer Nationalheiliger und vielerorts in Europa als Schutzpatron der Juristen eingesetzt.
Tritt man über die Schwelle der nicht besonders großen Kirche, so wird man zunächst geblendet vom Weiß des Innenraums. Erst auf den zweiten Blick bemerkt man dann, welch komplizierte geometrische Figuren diesem Raum zugrunde liegen.
Der Architekt schachtelt Sechsecke, Dreiecke, Kreise und Halbkreise ineinander, die einen Kirchenraum der reinsten Harmonie entstehen lassen. Nur wenige Goldakzente stören diese Reinheit, und der einzige wirkliche Akzent ist das Altarbild von Pietro di Cortona aus dem Jahre 1680, das natürlich den Namenspatron der Kirche darstellt.
Borromini liebte das Spiel mit dem Wechsel zwische konkav und konvex, zwischen Schein und Wirklichkeit, zwischen Harmonie und Spannung.
Schaut man in die großartige Kuppel, so fragt man sich nach einigen Minuten, wieso man sie von außen nicht bemerkt hat. Der Stadtprospekt Roms hat viele Kuppeln vorzuweisen, aber Sant‘ Ivo alla Sapienza steuert keine bei.
Die Lösung ist so einfach, wie verblüffend. Wir sehen von außen nur den kunstvoll konvex sich wölbenden Tambour, der in seinem Inneren die Kuppel birgt.
Tambour und Kuppel sind von der Laterne überhöht, die das außergewöhnlichste an Sant‘ Ivo ist. Denn diese Laterne wird wiederum von einer in Spiralen nach oben strebenden Spitze bekrönt, auf der schließlich eine schmiedeeiserne, sehr filigrane Krone mit abschließendem Kreuz sitzt.
Sant‘ Ivo alla Sapienza liegt ganz in der Nähe zweier weiterer Sehenswürdigkeiten der ewigen Stadt: dem Pantheon und der Piazza Navona mit der Kirche Sant‘ Agnes in Agone.
Zwei Blicke über Rom mit der Laterne von Sant‘ Ivo, einmal neben der Kuppel von Sant‘ Agnese und einmal neben dem Pantheon, © pixabay
Leider ist dieses besondere Bauwerk meines Wissens nach nur sonntags von 9 Uhr bis 12 Uhr geöffnet.
Jedoch hat Rom seine eigenen Regeln, die sich auch immer wieder ändern und selten leicht zu durchschauen sind. Versäumen Sie keinesfalls bei Sant‘ Ivo vorbeizuschlendern – vielleicht ist Ihnen das Glück hold und die Türe steht offen.
PS. Nur wenige Kirchen mit gleichem Patrozinium fallen mir ein. Eine davon ist die Pfarrkirche Saint-Yves in La Roche Maurice, die inmitten eines der schönsten Calvaires der nördlichen Bretagne liegt.