Porto – mehr als nur ein Hafen

 

von Maria Pussig

Noch vor einigen Jahren schien Portugal eher der Geheimtipp unter den südeuropäischen Reisezielen zu sein.

War man nicht gerade mit einem abenteuerlichen, reiselustigen Naturell gesegnet, endete Europas Süden für den durchschnittlichen Otto Normalverbraucher des deutschsprachigen Raums häufig mit Pizza, Pasta und Gelato an der Adria. Dass auch diese Region Europas mit Recht seine Reize hat, soll an dieser Stelle nicht unterschlagen werden. In den vergangenen Jahren hat sich jedoch gezeigt, dass sich Reise- und Entdeckungslust bezahlt machen können, wie ein Blick auf Portugal schnell bestätigt. Besonders die städtischen Ballungszentren, welche häufig auf eine Geschichte zurückblicken, die bis in die römische Antike oder noch weiter reicht, stehen mit ihren kulturellen Angeboten und innovativen Konzepten im Zentrum des Interesses der Besucherinnen und Besucher. Grund genug, mit Porto eine dieser Städte einmal etwas genauer vorzustellen.

Porto auf einen Blick

Im Norden des Landes liegend stellt die Stadt in vielerlei Hinsicht ein Zentrum der Region dar: kulturell und kulinarisch, historisch und politisch, geografisch und wirtschaftlich. Nicht umsonst wird Porto daher von seinen rund 238 000 Einwohnern auch liebevoll „Portugals heimliche Hauptstadt“ genannt. Diese Attribute sind nicht zuletzt auch auf die geographische Lage und die Geschichte der Stadt zurückzuführen. Porto liegt strategisch günstig direkt am Atlantik, am Nordufer des Flusses Douro, welcher dort in den Ozean mündet. Diesem Umstand verdankt die Stadt auch ihren Namen, welcher ins Deutsche übersetzt „Hafen“ bedeutet und damit auf Portos wichtigsten kulturellen und wirtschaftlichen Grundpfeiler hinweist. Schon für die Zeit der römischen Besatzung lassen sich Hinweise für die kommerzielle Bedeutung der Hafenstadt finden, die ihren Höhepunkt schließlich im Zeitalter der europäischen Expansion erreichte.

Auch gegenwärtig stellt der Großraum Porto nicht nur den wirtschaftlich wichtigsten Ballungsraum des Nordens, sondern des ganzen Landes dar, wobei der Hafen heute eine eher nebengeordnete Rolle spielt und Textil- sowie Lederindustrie an seine Stelle getreten sind. Gleichermaßen beweist Porto jedoch auch, dass es für eine Stadt möglich ist, neben einer blühenden Wirtschaft auch über ein kulturell reichhaltiges Angebot zu verfügen. Mehr noch: Erstere als Teil Letzterer zu begreifen.

Kathedrale von Porto; © Anajim

Historische Anfänge

Um Portos Gegenwart und damit auch alle gegenwärtigen kulturellen Prozesse besser zu verstehen, empfiehlt es sich zu allererst, auf seine Geschichte zurückzublicken. Wie bereits zuvor erwähnt wurde, spielte die Stadt schon in der römischen Antike eine entscheidende Rolle für das Imperium, doch der Allgemeinheit weniger bekannt ist, dass schon zur Eisenzeit erste Siedlungen der Castrokultur im heutigen Großraum Portos entstanden. Darauf weisen archäologische Funde hin, die bei Ausgrabungen, aber auch zufällig bei Bauarbeiten in der Stadt immer wieder gefunden wurden und werden.

Dass das Erbe der Castrokultur trotz des eher geringen Bekanntheitsgrades dennoch von Belangen ist, zeigt sich vor allem in der Theoriebildung rund um die Namensgebung der Stadt Porto. Diese konnte nicht restlos geklärt werden, geht aber im Grunde von einer ersten Benennung der Region durch die Castrokultur als „Cale“ aus. Daraus entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte die römische Bezeichnung „Portus Cale“, wovon sich nicht nur die heutige Städtebezeichnung „Porto“ ableitet, sondern auch gleich die Bezeichnung eines ganzen Landes: „Portugal“.

Schon das zeigt, inwiefern Porto eine wahre Vorreiterrolle in der Geschichte des gesamten restliche Land gespielt hat und – wie beispielsweise bei der Gründung des portugiesischen Königreichs durch Alfonso I. Henriques – immer wieder spielen würde.

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Kulturelle Entwicklungen der Gegenwart

Es ist daher nicht ungewöhnlich, dass man in Porto das eigene historische Erbe zu einem Fixstern der lokalen Kulturszene erhoben hat. Um dies festzustellen, reicht oft schon ein gezielter Streifzug durch die Stadt. Weiß man, wonach man Ausschau halten muss, wird die Altstadt Portos selbst zu einem einzigen großen Freiluftmuseum. Besonders reizvoll zu sehen ist, wie sich dabei u.a. römische Stadtmauern, barocke Kirchen und moderne Architektur zu einer kraftvollen Komposition zusammenfügen, die den oft ambivalenten und doch harmonischen Charakter dieser Stadt pointiert zum Ausdruck bringt.

Diesem Motto bleiben auch die zahlreichen Museen, Galerien, Konzerthäuser etc. der Stadt treu, indem sie sowohl jungen Initiativen (wie z.B. die Kunstgalerie Sismógrafo), als auch althergebrachtem Brauchtum (z.B. bei Volksfesten zu Ehren von San João) Raum geben und so für jeden Geschmack etwas zu bieten haben. In ihrer Gesamtheit kann die breite Palette der Kultureinrichtungen Portos aber als das i-Tüpfelchen einer städtischen Gestaltung gesehen werden, die dank der eigenen Geschichte schon für sich allein ein Gesamtkunstwerk darstellt. Zu Recht gehört die Altstadt Portos daher seit 1996 zum Weltkulturerbe der UNESCO und war 2001 die Kulturhauptstadt Europas.

Menschen und Mächte

Einen weiteren Beitrag zum regen kulturellen Treiben der Stadt leisten seine internationalen Bewohnerinnen und Bewohner – ein Umstand, welcher ebenfalls historischer Natur ist. Als Seefahrernation und Kolonialmacht begann Portugal bereits im 15. Jahrhundert erste Gebiete in Afrika zu erkunden und nach und nach zu erobern, im Laufe der Jahrhunderte folgten Kolonien auf fast allen Kontinenten, wobei Brasilien mit Sicherheit zur größten ihrer Art gehörte. Die letzte Kolonie, die ehm. portugiesische Überseeprovinz Macau, wurde erst 1999 an die heutige Volksrepublik China zurückgegeben.

In der gesamten Kolonialgeschichte des Landes stellte Porto als Hafenstadt eine wichtige Konstante dar: Schiffe liefen aus und kamen beladen mit Waren aus aller Welt an, wurden dort gehandelt und weiterverarbeitet. Mit ihnen kamen auch die Menschen, die heute zum interkulturellen Mosaik der Stadt beitragen.

Liberdade Square mit Statue „Pedro IV“, © Smirre

Nach einem ausgiebigen Stadtrundgang empfiehlt es sich daher, nicht nur lokale Spezialitäten wie Portwein und Francesinha als Stärkung zu genießen, sondern auch einmal in eines der zahlreichen brasilianischen oder mosambikanischen Restaurants einzukehren. Diese sind ein praktisches Zeugnis dafür, dass Geschichte und Kultur keineswegs statische Phänomene, sondern Prozesse des Wandels sind, welche in der Gegenwart weiter fortsetzen.

Moderne Stadt mit historischen Reizen

Wer Porto daher lebensnah erfahren möchte, kann sich auf eine Stadt freuen, die auf ein jahrhundertealtes kulturelles Erbe zurückblickt, dieses pflegt und der Öffentlichkeit zugänglich macht. Gleichzeitig ist man sich auch der Aufgabe bewusst, dieses Erbe im Angesicht aktueller Geschehnisse zu interpretieren, dazu Stellung zu beziehen und damit neuer Kulturschaffung Raum zu geben. Die Ebenen und Ausdrucksformen, die sich dabei anbieten, diesen Charakter der Stadt zu erleben, sind vielfältig und reichen von einem einfachen Spaziergang mit Cafébesuch bis zum weltgewandten Diskussionsabend in der Galerie. Denn Porto ist vieles und hat vieles zu bieten – im Zweifelsfall auch Pizza, Pasta und Gelato.

Verwendete Literatur

Kulturgeschichten aus Europa

ein Buch von Thomas Stiegler

Französische Kulturgeschichten 

ein Buch von Anja Weinberger

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