Nürnbergs Stadtmauer

von Anja Weinberger

Nürnbergs Stadtmauer

von Anja Weinberger

Ein flächenmäßig besonders großes Denkmal besitzt die fränkische Metropole Nürnberg: ihre gut erhaltene Stadtmauer.

Fünf Kilometer war sie einmal lang und davon sind noch gut vier Kilometer erhalten. Zu ihr gehören mehr als 70 Türme und auch die großen Bastionen bei der Burg, die auf diese Weise mit in den Mauerring heinein geholt werden konnte. Das ist eine durchaus eindrucksvolle Dimension und unterscheidet Nürnberg von allen anderen europäischen Großstädten, die ihre Stadtmauern im Laufe der Jahrhunderte verloren haben. In Nürnberg prägen die mal eckigen, mal runden Türme der Befestigung bis heute nachdrücklich das Stadtbild.

Von oben betrachtet bildet die Nürnberger Stadtmauer ein recht schiefes Viereck, der Mathematiker würde vielleicht sagen ein Parallelogramm, das eine Fläche von weit über 100 Hektar umgibt.

Einen guten Blick auf die Stadtmauer hat man nur in Herbst und Winter, denn ab dem Frühjahr versperrt das Laubwerk der beinahe zu zahlreich im Graben wachsenden Bäume die Sicht. Strebt man eine besonders gute Übersicht über die Mauer, ihre Dimension und auch ihre Kleinteiligkeit an, so empfehlen sich im Winter Schneefotos, die der wuchtigen Befestigungsarchitektur optisch mehr Anteile der dritten Dimension verleihen. Schießscharten, Schrägstellungen und andere militärisch motivierten Architekturdetails sind so besonders gut zu erkennen.

Stadtmauerturm „Rotes M“, © pixabay

Eine Stadtmauer erscheint uns heute hauptsächlich als Schmuck. In ihrer Entstehungszeit jedoch diente sie ausschließlich dem Schutz und der Verteidigung. Auf ihrer Länge von einstmals fünf Kilometern umschloss die Nürnberger Stadtmauer (oder Stadtbefestigung) die gesamte Altstadt. So, wie wir sie heute sehen können, wurde sie um 1400 fertiggestellt. Anschließend hob man den parallel verlaufenden Graben an der Außenseite aus. 12m tief war dieser, 20m breit und nie mit Wasser geflutet. Leider ist nicht überliefert, was mit den vielen Tonnen ausgehobener Erde geschehen ist. Die mit Argusaugen beobachteten Hussitenkriege beschleunigten den Aushub dieses Trockengrabens; jeder Bürger musste sich am Bau beteiligen und nur die Reichsten konnten sich von dieser schweren Fronarbeit freikaufen. Man bedenke außerdem, dass die Grabenseiten Richtung Stadt und Feld gut abgemauert werden mussten, um ein Einbrechen von Erde zu verhindern.

Der Nürnberger Graben konnte schließlich 1452 fertiggestellt werden.

 

Im Jahr 1866 hob die Bayerische Staatsregierung den Festungscharakter der Stadt offiziell auf und seit diesem Stichtag wurden Breschen in die Stadtmauer geschlagen. Der Verkehr wollte schließlich fließen.

Es entstanden auf diesem Wege bis 1876 in neugotischer Manier das Marientor, das Königstor, das Färbertor, das Ludwigstor, das Maxtor und das Wöhrder Tor, von denen ein manches in unseren Tagen längst wieder verschwunden ist.

Die heutige Stadtmauer hatte ihre Vorläufer in den früheren Befestigungen der Sebalder und der Lorenzer Stadtseite, die durch die Pegnitz getrennt waren und sind. Aus dieser Zeit stammen folgende, heute mitten in der Stadt stehende Türme: der Weiße Turm, der Schuldturm, der Henkerturm, der Wasserturm und der Laufer Schlagturm.

Im frühen 14. Jahrhundert verband man die beiden Teile der Stadtbefestigung über die Pegnitz hinweg – ein schwieriges Unterfangen und eine potentielle Schwachstelle der Umfassung. Am westlichen Pegnitzausfluss aus dem Stadtgebiet hinaus entstanden deshalb zwischen 1422 und 1498 der Schlayerturm und die Fronveste, die heute, um den 1824 erbauten Kettensteg verstärkt, eine der idyllischsten Ansichten Nürnbergs bilden, und von wo aus man außerdem einen schönen Blick auf Henkersteg und Henkerturm hat  – Albrecht Dürer hat dieses Ensemble übrigens auf einer seiner Nürnberg-Ansichten verewigt.

Weißer Turm, © pixabay

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Im Osten liegt die Insel Schütt in der Pegnitz, so dass sich zwei Flussarme ergaben, die befestigt werden mussten. Der Tratzenzwinger und das Kasemattentor sorgten hier auf der östlichen Seite für Sicherheit.

Schnell hatte man bemerkt, dass die Anzahl der Türme so hoch ist, dass eine Identifizierung schwierig wurde. Nötig war es ja unbedingt, dass bei einer eiligen Einberufung im Verteidigungsfall der Einsatzort beschrieben werden konnte. Rund um die Nürnberger Altstadt gelangt man deshalb seit 1499 beinahe viermal durchs Alphabet, einmal in schwarz, einmal in blau, einmal in rot und ein halbes Mal in grün. Beginnend am Luginsland, dem Turm bei den Kaiserstallungen, einmal im Uhrzeigersinn, bis zum Tiergärtnertor am westlichen Ausläufer der Burg findet man auch heute noch die farbigen Buchstaben.

Burggarten mit Tiergärtnertorturm, © pixabay

 

Die mittelalterlichen Türme der Nürnberger Stadtmauer sind ursprünglich alle auf quadratischem Grundriss errichtet. Erst später, nach den Erfahrungen des Zweiten Markgrafenkrieges, entschied man sich, die vier großen Tortürme am Frauen-, Spittler-, Laufer- und Neutor umzubauen. Deshalb gibt es nun seit 1556 diese vier runden, steinernen Kolosse, die mit einer Höhe von etwa 40 m zu den Wahrzeichen Nürnbergs gehören. Möchte man wissen, wie diese Rundtürme vorher aussahen, so muss man sich zum Tiergärtnertor im Westen Nürnbergs aufmachen, denn dessen Torturm hat die gotische, leichter angreifbare Form behalten. Oder man wirft einen Blick auf die berühmte Nürnberg-Ansicht in der Schedel’schen Weltchronik von 1493, die auch oben unter der Überschrift zu sehen ist.

 

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Eine Besonderheit im Verlauf der Stadtmauer bilden die Vestnertorbrücke und die Fazuni-Basteien. Im 16. Jahrhundert sah man sich genötigt, die Wehranlagen der Burg über Nürnberg zu verstärken. Für den Transport der benötigten Baumaterialien wurden wieder die Bauern des Umlandes in Fronarbeit verpflichtet. Dabei nahm der Nürnberger Rat keine Rücksicht auf den bäuerlichen Jahreskreis. Gerade noch rechtzeitig konnte man einlenken und so eine Lebensmittelknappheit in Stadt und Umkreis verhindern.

Der italienische Ingenieur Antonio Fazuni errichtete in Nürnberg mit diesen Basteien das modernste Befestigungssystem der damaligen Zeit nördlich des Alpenkammes. Mächtig umschließen die hohen Basteien die Burg und erinnern in ihrer beinahe symmetrischen Anordnung an vorzeitliche, versteinerte Kreaturen.

Der größte Verlust mit mehr als 310 laufenden Metern innerhalb der Nürnberger Stadtmauer ist am Laufer Torturm im Nordosten zu beklagen, ein kleinerer am Maxtor im Norden, nicht weit entfernt, und schließlich am Marientorgraben im Südsüdosten. Neben der Mauer und in den oft parkähnlichen Gräben sind an vielen Stellen Wege angelegt. Die großen Burgbastionen sind in Gärten verwandelt worden und viele der Türme werden von städtischen Einrichtungen genutzt.

Blick auf die Nürnberger Burg, © pixabay

Blick vom Tiergärtnertor auf die Burg, © pixabay

Blick in den Frauentorgraben, an Stelle der äußeren Futtermauer verläuft nun die U-Bahn-Trasse, © pixabay

Henkersteg, © pixabay

Bei einem Spaziergang entlang der Nürnberger Stadtmauer lässt sich die Geschichte der Stadt gut Revue passieren. Man kommt natürlich an der Burg vorbei, auch am Germanischen Nationalmuseum, sieht die Türme der beiden Hauptkirchen im Inneren der Mauer aufragen und streift auf der Außenseite der Umfassung auch die neuere Geschichte. Zwei dominante Bauwerke sind dabei der Nürnberger Hauptbahnhof und nicht weit davon entfernt das Staatstheater Nürnberg, das in Kürze seine Tore für viele Jahre schließen wird, um die dringend benötigte Genaralsanierung zu erhalten.

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