Ludwig der Bayer und der Affe

von Carina Zinkeisen

Die Wittelsbacher hielten in München im alten Hof, ihrer Residenz, gerne wilde Tiere.

 

Herzog Albrecht V. besaß einen zahmen Löwen, der eines schönen Tages stiften ging und auf dem Marktplatz ein heilloses Durcheinander hinterließ, indem er Wurstwaren von einem beträchtlichen Wert vertilgte und die Stände verwüstete. Der Löwe tat zwar den Menschen nichts zuleide. Er konnte von seinem Herrchen Albrecht, auf den er freilich aufs Wort hörte, vom Marktplatz entfernt werden. Der Schaden war aber so immens, dass die Marktleute am nächsten Tag mit einer ellenlangen Liste im alten Hof erschienen und Schadenersatz verlangten.

Meine Geschichte soll jetzt allerdings nicht von einem gefräßigen Löwen, sondern einen zahmen Affen handeln, den Herzog Ludwig, genannt der Strenge, der Vater von Ludwig IV, besser bekannt als Ludwig der Bayer, einem Wittelsbacher auf dem Kaiserthron, hielt und der frei herumlaufen durfte.

Es war ein heißer Tag im Hochsommer. Die Amme, die den kleinen Ludwig beaufsichtigte, hatte alle Türen und Fenster im Burgturm, in dem sich die Wiege befand, geöffnet, um zu lüften. Es kam wie es kommen musste.  Der Affe, der den Hof mit allerlei Schaberack zum Lachen bringen konnte, witterte die Gunst der Stunde, da die Amme, ein wahres bayerisches Geschoss, gerade ihre Notdurft verrichtete.

Wie alle am Hof liebte er den kleinen Ludwig heiß und innig und wollte genau das mit ihm tun, was die Amme auch immer mit dem Kleinen machte, ihn in den Armen schaukeln und ihn in die Luft werfen, bis er vor Freude glucksen würde. Kurzerhand nahm er Ludwig aus der Wiege und wiegte ihn in den Armen.

In diesem Augenblick kam die Amme zurück und die traf fast der Schlag, sah ihren Schützling, den kostbaren Erbprinzen, in den Armen des Affen. hysterisch zu schreien

Erschrocken flüchtete der Affe samt Kind durch die Burg, klammerte es immer fester an sich. Er kletterte mit dem Baby auf dem Arm aus einem der geöffneten Fenster auf das Dach und erklomm die Spitze des Türmchens in der Residenz. Mit dem Säugling auf dem Arm hing er dort. Die Amme rannte ihm, bewaffnet mit einem Teppichklopfer, lauthals schreiend, nach, sah sie vor ihrem geistigen Auge, den kleinen Ludwig erschlagen auf dem harten Boden des Burghofs liegen.

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Mittlerweile hatte sich im Burghof der aufgeregte Hofstaat samt Herzog und Herzogin versammelt. Decken und Kissen wurden eilends auf dem Boden ausgebreitet, falls der Affe den kleinen Prinzen fallen lassen würde. Bang starrten das Herrscherpaar und der Hofstaat zur Turmspitze hoch, an der der Affe mit dem kleinen Ludwig immer noch auf dem Turm herumturnte.

Da fasste sich der Koch, der den Affen recht gut kannte, ein Herz, verpasste der Amme eine satte Watschn, wodurch diese verstummte und lockte den Affen mit Hilfe einer Bratwurst, der Leibspeise des Tieres, zurück in die Burg. Tatsächlich gelang dieses Manöver und der Affe legte das Kind wieder in seine Wiege zurück.

Es heißt, dass der kleine Ludwig die ganze Zeit über tief und fest geschlafen hätte – so ein unerschütterlicher, gechillter Charakter sei der spätere römisch-deutsche Kaiser also schon in jungen Jahren gewesen. Durch ihn war München 26 Jahre lang Kaiserresidenz,

Das Türmchen an der südlichen Mauer des Alten Hofes, der alten Residenz der Wittelsbacher, verdankt dieser Legende seinen Namen: Affenturm.

Affenturm, © C. Zinkeisen

Alter Hof, © C. Zinkeisen

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