Wiener Kaiserschmarrn

von Thomas Stiegler

Wenn der Wiener etwas liebte, dann erinnerte ihn das an den alten Kaiser. Denn der Kaiser, ja, der Kaiser, das war ihm das Allerhöchste und über oder neben diesem stand gerade noch der liebe Gott.

So kam es auch, dass die verschiedensten Speisen mit der Vorsilbe „Kaiser“ geadelt wurden, etwa die Kaisersemmel, das Kaiserfleisch, das Kaiserschöberl oder die Kaisermelange.

Und eben auch der Kaiserschmarrn.

Da ist es natürlich lästig, wenn heute graue Männer davon sprechen, dass die Geschichte ganz anders war. Dass nämlich die Köche ganz einfach „a la Casa“, also nach Art des Hauses, kochten und sich davon die Bezeichnung „Kaiser“ herleitet.

Doch damit würden nicht nur die schönen Geschichten rund um das Wiener Essen kaputtgemacht, sondern es würde auch die Zauberwelt der Habsburger und ihre Ausstrahlung auf das Leben und die Kultur ihrer Hauptstadt zu einer banalen Anhäufung von Tatsachen, die das Leben ärmer machen würde.

Deshalb halte ich mich lieber an die alten Geschichten, die vielleicht nicht im Wortlaut wahr sind, die uns aber einen tieferen Sinn enthüllen. Denn es ist wie beim Essen selbst: Nicht auf die Richtigkeit des Rezeptes kommt es an, sondern darauf, dass uns das auch wirklich schmeckt, was uns serviert wird.

Und in diesem Sinne will ich euch ein wenig über die Herkunft des Kaiserschmarrns erzählen.

Wiener Kaiserschmarrn, ©myviewpoint

Die Geschichte, die ich als Österreicher am meisten liebe, ist jene, in der dem Kaiserpaar Sissi und Franz Joseph ein neues Gericht aus Omelettenteig und Zwetschkenröster serviert wurde.

Die immer um ihre schlanke Taille besorgte Kaiserin weigerte sich natürlich, auch nur einen Bissen davon zu nehmen, da ihr das Gericht als zu üppig erschien. So zog schließlich der entnervte Kaiser den Teller zu sich und seufzte entnervt: „Na geb‘ er mir halt her den Schmarren, den unser Leopold da wieder z’sammenkocht hat.“ 1

Mit diesem „Schmarrn“ aber hatte der Leibkoch Franz Josephs den Geschmack des Monarchen so genau getroffen, dass dieser als Kaiserschmarrn in die Geschichte einging.

Eine andere Geschichte kommt ganz ohne Kaiserin aus und hängt mit Franz Josephs großer Leidenschaft zusammen, der Jagd.

Dazu muss man wissen, dass es den Schmarrn als tägliches Gericht der bäuerlichen Bevölkerung schon lange gab und er durch seine einfache Zubereitung vor allem bei den Sennen sehr beliebt war.

In Österreich bezeichnete man den Senn auch als Kaser (weil er auf der Almhütte den Käse herstellte) und einer von ihnen spielt auch die Hauptrolle in der folgenden Geschichte.

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Eines Tages wurde die kaiserliche Jagdgesellschaft von einem Gewitter überrascht und musste in einer Almhütte Zuflucht suchen. Der Kaser, geehrt, solch hohen Besuch zu haben, setzte dem Kaiser das Einzige vor, dass es in der bescheidenen Hütte gab: einen „Kaserschmarrn“. Franz Joseph kostete davon und war dermaßen begeistert, dass er das Gericht kurzerhand in einen „Kaiserschmarrn“ umtaufte.

Wenn man die Bilder vom alten Kaiser kennt, dann kann man sich richtig vorstellen, wie er in der kargen Hütte saß, in seiner kurzen Lederhose und dem grauen Janker, auf einem Stuhl den Hut mit Gamsbart, und wie er schmunzelnd den Kaser- zu einem Kaiserschmarrn umtaufte.

Womit er im Grunde Recht hatte, denn eigentlich ist auch der Kaiserschmarrn nichts anderes als ein ganz normaler Mehlschmarrn, den man schon früh in Kochbüchern findet, wie etwa in F. G. Zenkers „Vollständiger theoretisch-praktischer Anleitung zur feinen Kochkunst für herrschaftliche und bürgerliche Tafeln“. 2

Kaiserschmarrn, ©RitaE

Auch die Bezeichnung „Kaiserschmarren“ gab es schon lange vor diesen Geschichten. Um 1835 hat das Gasthaus „Zum Sperl“ zum ersten Mal einen Kaiserschmarrn auf seinen „Speisen-Tariff“ gesetzt, ein Jahr, in dem Franz Joseph gerade einmal fünf Jahre alt war und die spätere Kaiserin Sissi noch gar nicht geboren.

Aber lassen wir uns davon nicht die schönen Geschichten rund um diese Köstlichkeit zerstören, sondern kommen wir jetzt zum Rezept und seiner Zubereitung.

Rezept:

180 g Mehl
350 ml Milch
4 Eier
Salz
1 EL Zucker
Rosinen nach Belieben

Die Eier trennen. Eigelb, Milch, Zucker und etwas Salz mit dem Schneebesen verrühren. Unter ständigem Weiterrühren das Mehl einstreuen, bis ein Teig entsteht.

Das Eiweiß zu steifem Schnee schlagen und unter den Teig heben. Beliebig viele Rosinen daruntermischen.

In einer Pfanne etwas Butter heiß werden lassen. Den Teig zugeben, die Pfanne zudecken und den Schmarren bei mittlerer Hitze an der Unterseite goldbraun backen. Nach dem Wenden die zweite Seite ebenfalls backen und anschließend mit der Gabel grob zerreißen.

Falls die Stücke nicht ganz durch sind, vorsichtig immer wieder umrühren und wenden, bis alle eine goldbraune Farbe haben.

Etwas Zucker über den Schmarren geben, einige Male umrühren, aus der Pfanne heben und mit Staubzucker bestreut servieren.

Kaiserschmarrn, ©Hans

Zum Schluss hätte ich noch eine andere Version der Entstehung des Kaiserschmarrens.

Trotz seines puritanischen Lebensstils war Kaiser Franz Joseph ein heimlicher Genießer, der zum Nachtisch gerne Palatschinken aß. Natürlich hatte auch sein Leibkoch hin und wieder einen schlechten Tag und so konnte es sein, dass die Omeletten zu dick gerieten oder einfach zerrissen.

So konnte man sie natürlich nicht auf die Tafel stellen, denn es wäre „A Schmarrn, des am Kaiser zu servieren“. Worauf dann beim Gesinde, das die Reste verspeisen durfte, bald das Wort vom „Kaiserschmarrn“ in Umlauf war.

Aber im Grunde ist es egal, welche Geschichte nun wahr ist oder ob doch die Puristen recht behalten sollen.

Denn wichtig ist doch nur, dass uns der Kaiserschmarren heute noch genauso gut schmeckt wie vor mehr als hundert Jahren dem Kaiser. Und vielleicht auch heimlich seiner Frau.

Links

1 … Wikipedia Deutsch

2 … Vollständige theoretisch-praktische Anleitung zur feinen Kochkunst für herrschaftliche und bürgerliche Tafeln, Franz Georg Zenker

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