Der Schweden liebstes Getränk

 

von Meike Dahlström

Der Schweden liebstes Getränk: Die Geschichte der Kaffeehauskultur in Göteborg

Die Skandinavier sind große Kaffeeliebhaber: Zwar sind die Finnen gefolgt von den Norwegern Europas Spitzenreiter in punkto Kaffeekonsum, doch auch Schweden kann mit Platz drei durchaus Schritt halten. Österreich und Deutschland folgen tatsächlich erst auf dem sechsten und achten Platz. [1]

Kaffee kann in Schweden mit recht als Nationalgetränk bezeichnet werden. Doch woher kommt diese unerwartete Kaffeeliebhaberei im hohen Norden? Kaffeegenuss hat in Schweden Tradition und gehört zur Lebensart dazu. Nicht umsonst haben die Schweden ein eigenes Wort für das Kaffeetrinken: fika. In diesem kleinen Wörtchen schwingt aber noch so viel mehr mit: eine kleine Auszeit, ein Abschalten vom Arbeitsalltag, ein nettes Treffen mit Freunden auf einen Kaffee mit Zimtschnecke. Der Zeitpunkt spielt dabei keine Rolle: Kaffee wird auch gerne noch spätabends vor dem Zubettgehen als kvällskaffe („Abendkaffee“) konsumiert. In Schweden sind Kaffeepausen sogar arbeitsvertraglich zugesichert und werden vom Arbeitgeber bezahlt. Insgesamt 40 Minuten Kaffeepause sind während der Arbeitszeit nicht nur erlaubt, sondern auch im Sinne des Zusammenhalts erwünscht: Vielerorts wird zweimal täglich gemeinsam mit dem Chef die fika zelebriert. [2]

Gneisgranit auf Ramberget, © Meike Dahlström

Die Geschichte der Kaffeekultur in Schweden geht weit zurück. Während es in Italien und Großbritannien bereits Mitte des 17. Jahrhunderts erste Kaffeehäuser gab – das berühmte Caffè Florian in Venedig und die sogenannten „penny universities“ in London (für diesen Preis konnte man einen Kaffee trinken und dabei den Ausführungen der anderen Gäste lauschen) [3] – dauerte es in Schweden noch bis 1685, ehe erste kleine Mengen an Kaffee den Göteborger Hafen erreichten: ganze 425 Gramm wog die Fracht.

Zunächst wurde das kostbare Gut ausschließlich in Apotheken als Medizin gegen Kopfweh, Magenschmerzen, Nierensteine und Schwindel verkauft. Die steigende Popularität des schwarzen Tranks haben die Schweden König Karl XII. (1682-1718) zu verdanken, der sich während seines fünfjährigen Aufenthalts im Osmanischen Reich so sehr an den Kaffeegenuss gewöhnt hatte, dass er nicht mehr darauf verzichten wollte. Auf seiner Heimreise hatte er einen türkischen Kaffeekocher im Gepäck. Dennoch dauerte es noch bis Mitte des 19. Jahrhunderts, ehe der Wachmacher tatsächlich zum allseits beliebten Volksgetränk wurde.

Der Kaffeeimport in Schweden hatte mit einigen Widerständen zu kämpfen. Der Reichstag war beunruhigt über die hohe Summe an schwedischem Geld, die ins Ausland floss – was dazu führte, dass das Kaffeetrinken in den Jahren von 1756 bis 1823 mehrmals verboten wurde. Als Protest bildeten sich sogenannte Kaffeegilden: passionierte Kaffeetrinker schützten sich gegenseitig und trafen sich zum heimlichen Kaffeegenuss im Wald. [4] Entsprechend hatten die Verbote nicht den gewünschten Effekt – sobald die Schweden ihr Stimulans wieder legal zu sich nehmen durften, stieg der Konsum erneut an.

Wer weiß, vielleicht hat dieses Verbot dazu beigetragen, dass der Kaffee letztlich so beliebt in Schweden wurde – verbotene Früchte schmecken ja bekanntlich immer besser. Besonders deutlich zeigte sich diese Vorliebe in Göteborg: Mit Gründung der Schwedischen Ostindien-Kompanie im Jahr 1731 konnte der Göteborger Hafen zum bedeutendsten Warenumschlagplatz Schwedens aufsteigen; hier ging der Kaffee nach seiner langen Reise von Afrika und Südamerika zuerst an Land und wurde von den Einwohnern mit Enthusiasmus in Empfang genommen. Göteborg war die Stadt mit dem höchsten Kaffeeverbrauch Schwedens: Mitte des 19. Jahrhunderts gehörte in ungefähr der Hälfte aller Haushalte der Kaffeegenuss zum Tagesablauf, unabhängig von Stand und Gesellschaftsschicht. [5]

Zusätzlichen Auftrieb bekam das Geschäft mit dem schwarzen Getränk Mitte der 1850er Jahre, als das kafferep, also der Kaffeeklatsch, zur Möglichkeit des gepflegten Austausches für schwedische Frauen avancierte. Man lud zu Kaffee und Kuchen ein oder traf sich im Kaffeehaus, um sich ohne männliche Störungen in Ruhe zu unterhalten. Die Erfindung gusseiserner Küchenherde in den 1870er Jahren verhalf der schwedischen Backkunst zu weiterer Beliebtheit: Das traditionelle süße kaffebröd wurde zum wichtigen Bestandteil jedes kafferep. Die damals entstandenen Köstlichkeiten aus der Kaffeekultur in Göteborg sind bis heute bekannt und beliebt: sowohl die überdimensionierten kanelbullar (Zimtschnecken), die ihren Ursprung im Café Husaren haben, als auch die billardkugelgroßen köttbullar, die zuerst im Café du Nord, auch köttbullekaféet genannt, serviert wurden. [6]

Gneisgranit auf Ramberget, © Meike Dahlström

Beim Leiermann gibt es auch einen Kulturblog – hier ist der direkte Weg dorthin

Weitere bekannte Kaffeehäuser aus Göteborgs Geschichte sind die Rubenssons konditori und das Kaffeehaus Verdandi. Rubenssons konditori war ein Musikcafé, das Mitte des 19. Jahrhunderts gerne von den Intellektuellen Göteborgs besucht wurde. Das Verdandi hingegen wurde um 1900 ein Treffpunkt zum politischen Austausch; der Sozialdemokrat und Finanzminister Ernst Wigforss (1881-1977) war hier ein gerngesehener Gast. [7]

Die wachsende Popularität des Kaffees machten sich alsbald findige Geschäftsleute zunutze. Bereits in den 1870er Jahren eröffneten die ersten beiden über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Kaffeehäuser: Das Granbergska kaffehuset sowie das James Carnegies kaffehus. Die Kaffeehauskultur in Göteborg bestand größtenteils aus zwei verschiedenen Formaten: Zum einen gab es Arbeitercafés, die zusätzlich einfache husmanskost servierten; zum anderen war Göteborg bekannt für seine großen und äußerst beliebten Konditoreien, die neben den köstlichen Backwaren auch Kaffee im Angebot hatten.

Im Jahr 1891 gründete die Bergmann och Bergstrand AB [8] ein Kaufhaus für Kolonialwaren. In den 1930er Jahren kaufte das Unternehmen von Deutschland seine erste professionelle Kaffeeröstmaschine und entwickelte sich in den folgenden Jahren zur ersten großen Rösterei in Göteborg. Heute kennt man das Unternehmen in Göteborg als Bergstrands kaffeerosteri, wo man den beliebten Röstkaffee noch immer erwerben kann.

Die traditionsreiche Kaffeehauskultur kann man bis heute vor allem im Stadtteil Haga genießen: Neben zahlreichen anderen Kaffeehäusern ist vor allem das 1895 gegründete Junggrens café beliebt, das sich noch immer in der Kungportsavenyn 37 befindet. Das oben erwähnte Café Husaren in der Nygata 28 serviert seine extragroßen Zimtschnecken mittlerweile unter dem Namen Hagabullar. [9] Ein Spaziergang durch Haga lohnt sich also noch immer, um den alten Glanz dieser traditionsreichen Kaffeekultur auf sich wirken zu lassen – am besten zusammen mit feinem Süßgebäck und der einen oder anderen Tasse Kaffee.

Skulpturengruppe »tre gracer« von Per Agélii, © Meike Dahlström

Rezepte

Im Gegensatz zu den in Österreich und Deutschland verwendeten Kaffeebohnen ist schwedischer Kaffee stärker geröstet und dadurch dunkler. Durch die lange Röstung in Kombination mit der Verwendung säurearmer Bohnen schmeckt er weder bitter noch säuerlich. Dadurch fällt es den Schweden auch leichter, ihren Kaffee ohne Milch zu genießen: Der traditionsbewusste Schwede trinkt seinen Kaffee noch immer schwarz.

Schwedischen Kaffee gibt es in den beiden Mahlgraden kok (Kochkaffee) und brygg (traditioneller Brühkaffee). Kok ist gröber gemahlen als der Brühkaffee für Kaffeemaschinen, damit sich das Pulver leichter am Boden absetzt.

Kulturgeschichten zum Kaffee

von Thomas Stiegler

 

Süddeutsche Küche

Anekdoten, Rezepte und mehr – von Christian Schaller

 

Söt kaffegök

1855 wurde zum bedeutenden Jahr für den schwedischen Kaffeekonsum: Das Verbot der eigenen Branntweinherstellung führte dazu, dass der Kaffee sich zunehmender Beliebtheit erfreute und den Alkoholkonsum bald einholte. Trotzdem ließen es sich die Schweden nicht nehmen, ihre beiden Lieblingsgetränke miteinander zu kombinieren: Die Mixtur aus Kaffee und Branntwein wurde kaffegök („Kaffeekuckuck“) genannt.

Zutaten für 2 Tassen:

  • 4 Teelöffel Kokkaffee
  • 2 Teelöffel Zucker (braun oder weiß)
  • 2 cl schwedischen Akvavit (Branntwein)
  • 2 Eigelb
  • aufgeschlagene süße Sahne (nach Belieben)

Zubereitung:

Kaffeepulver in einen Kaffeebereiter oder in eine Kanne geben und mit heißem Wasser aufgießen. Warten, bis sich das Pulver abgesetzt hat. Derweil Zucker zusammen mit Aquavit und Eigelb verquirlen und auf zwei Tassen verteilen. Anschließend mit Kokkaffee auffüllen, die Sahnehäubchen aufsetzen und einfach nur genießen.

Mehr von Meike Dahlström gibt es hier zu lesen – »Beruf und Berufung«, ein Buch über Adalbert Stifter uns sein »sanftes Gesetz«.

Fußnoten

1 … https://de.statista.com/infografik/8605/kaffeekonsum-pro-kopf-in-europa-und-nordamerika (abgerufen am 12.04.2022).

2 … https://www.hogapage.de/nachrichten/panorama/entertainment/gluecklicher-durch-gemeinsame-kaffeepause (abgerufen am 12.04.2022).

3 … Thomas Stiegler: Kulturgeschichten des Kaffees. Rezepte und Anekdoten der europäischen Kaffeehauskultur, Grieskirchen 2019 (Leiermann Verlag), S. 5f.

4 … https://a43.se/historia/sveriges-kaffehistoria-borjade-i-got,eborg (abgerufen am 12.04.2022).

5 … Ebd.

6 … https://sv.m.wikipedia.org/wiki/G%C3%B6teborgs_kaf%C3%A9er (abgerufen am 18.04.2022).

7 … Ebd.

8 … AB ist die Abkürzung für aktiebolag und bedeutet „Aktiengesellschaft“: die einzige Rechtsform für schwedische Kapitalgesellschaften.

9 … https://www.cafehusaren.se/#hagabullen (abgerufen am 18.04.2022).

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