Habsburger Ehrengeschenke an die Hohe Pforte

 

von Oğuzhan Büyük

Habsburger Ehrengeschenke an die Hohe Pforte

 

von Oğuzhan Büyük

1529 und 1683 – Wenn es um die Beziehungen zwischen den Habsburgern und Osmanen geht, dann werden erfahrungsgemäß diese beiden Jahreszahlen angegeben.

So werden auch im Geschichtsunterricht und in Schulbüchern vorwiegend die erwähnten zwei Wien-Belagerungen behandelt. Darüber hinaus wird in kurz gehaltenen Angaben das Bündnissystem des Ersten Weltkrieges (Deutsches Reich, Österreich-Ungarn, Osmanisches Reich und Königreich Bulgarien) angeschnitten. In Wirklichkeit sind die Verknüpfungen zwischen den Habsburgern und den Osmanen jedoch zu vielfältig, um sie lediglich auf die erwähnten kriegerischen Auseinandersetzungen bzw. Kriegsmomente herunterzubrechen. Der Fokus auf Schlachten lässt dabei das Verhältnis zwischen beiden Nationen einseitig und monoton erscheinen, obwohl die wechselwirkende Beeinflussung auf vielen verschiedenen Ebenen erkenntlich ist.

Um es noch stärker zu betonen: Der kulturelle, diplomatische Einflussbereich überwiegt bei weitem die militärischen Fehden, die mittlerweile in etlichen Beiträgen „ausgeschlachtet“ wurden. Diese traditionsreiche Verbindung, von der man im Gegensatz zu den heeresgeschichtlichen Begegnungen kaum spricht, spiegelt sich beispielsweise in Kunst und Kultur, in der Diplomatie, im Kleidungsstil, in der Musik und in vielen anderen Bereichen. Beginnend mit den diplomatischen Beziehungen wird im heutigen Beitrag das Verhältnis zwischen dem Habsburgerreich und dem Osmanischen Reich vertiefend dargestellt und behandelt. In dieser Ausführung sind Kriege und Schlachten dennoch nicht unumgänglich, da sie als wichtige Wendepunkte und Schlüsselmomente verwendet werden und für die Abhandlung des Themas bzw. für die Chronologie wichtig sind.

Grundsätzlich kann das Verhältnis zwischen den Habsburgern und den Osmanen in vier Etappen gegliedert und betrachtet werden. In der Anfangsphase, die sich grob bis zum Frieden von Passarowitz 1718 zog, wird von einer Periode der Defensive der Habsburger gesprochen. Während in dieser Zeit das Heilige Römische Reich das osmanische Heer als unbesiegbar darstellte, erklärten die Osmanen Europa zum “Goldenen Apfel” (türk. kızıl elma), welcher symbolisch für die globale Herrschaft der Osmanen stand.

Zu Beginn der Auseinandersetzungen waren es kleine, unbedeutende Einfälle der Osmanen, die auf österreichischem Boden (Krain und Steiermark) in den Jahren 1478 bzw. 1492 verzeichnet wurden. Mit der Schlacht von Mohacs 1526 entwickelte sich das Osmanische Reich schließlich zum großen Player in Europa – die „Osmanengefahr“ stand somit tatsächlich vor der Tür. Von da an war Mittel- und Osteuropa Schauplatz eines Zweikampfes um die Vormachtstellung in Europa: Habsburger vs. Osmanen. Vor allem die ungarischen Gebiete erfuhren in diesem Zusammenhang einen unglaublichen Wettkampf und besonders stark betroffen waren dabei die ungarischen Stände, die bis ins 17. Jahrhundert zwischen beiden Polen ein Hin und Her erlebten.

Dietrich Monten (Künstler), Türken und Griechen in einem Wiener Kaffeehaus [ev. griechisches Kaffeehaus „Zum weißen Ochsen“, Fleischmarkt 28 bzw. Fleischmarkt 22 (ab 1823)], um 1824, © Wien Museum Inv.-Nr. 13493, CC BY 4.0, Foto: Birgit und Peter Kainz, Wien Museum (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/68798/)

Der Friedensvertrag von Eisenburg 1664 ist ein gutes Beispiel dafür, wie einerseits die Bevölkerung des Reiches in Bezug auf die Zugehörigkeit und Loyalität hin und her gerissen war und vor allem auch, wie die psychische Dominanz der Osmanen auf kaiserlicher Ebene, ausgehend vom Mythos des Unbesiegbaren, allgegenwärtig war. Trotz des militärischen Erfolges Kaiser Leopolds I. bei der Schlacht bei Mogersdorf wurde ein für die Habsburger dürftiges Abkommen ausgehandelt. Die ungarischen und kroatischen Stände erklärten dieses sogar als „Schandfrieden von Eisenburg“. Die daraus resultierende Magnatenverschwörung von 1664-1671 wurde am Ende blutig niedergeschlagen, jedoch entstanden später die sogenannten Kuruzenaufstände, die von den Flüchtigen der Magnatenverschwörung ausgeübt wurden. Übrigens hat auch der Fluch „Kruzitürken“ seinen Ursprung in dieser historischen Begebenheit.

Die einleitenden Worte über die politischen Rahmenbedingungen der ersten Phase des Verhältnisses führen uns zum Hauptthema dieses Artikels, und zwar zu den diplomatischen Beziehungen und den Geschenken, die die Habsburger als sogenannte „Ehrengeschenke“ an die Hohe Pforte überreicht haben.

Beim ersten Zeitabschnitt wird im Prinzip von einer ad-hoc-Diplomatie, das heißt von einer einseitigen Beziehung, gesprochen. Die osmanischen Botschafter bzw. Legaten wurden exklusiv für einen bestimmten Auftrag in das jeweilige fremde Land geschickt. Dieses historische Phänomen kann an der Anzahl der ausgetauschten Gesandtschaften beobachtet werden: In den Jahren 1500-1700 entsandte das osmanische Reich 43 Legaten nach Wien, dem gegenüber waren 120 Botschafter der Habsburger in Istanbul. Dieses Ungleichgewicht wird in erster Linie auf die Selbstwahrnehmung und das Selbstempfinden der Osmanen zurückgeführt, die auf politischer Bühne jener Periode kein ebenbürtiges Gegenüber sahen und fanden.

Ableitend von der Anzahl der Legaten ist es auch selbsterklärend, dass Gesandtschaftsberichte und Dokumente über die Erfahrungen der Reisenden dementsprechend verteilt sind. Während auf osmanischer Seite etwa 10 Berichte von Botschaftern in Wien bekannt sind, sind von habsburgischen Gesandten weitaus mehr vorhanden. Neben der oben erwähnten Selbstwahrnehmung der Osmanen sind auch Tributzahlungen, zu der die Habsburger über Jahrzehnte verpflichtet waren, der Grund für die geschilderte Quote der Gesandtschaften.

In Bezug auf die Quellenlage dieses Prozesses haben wir die Vielzahl an Berichten einigen Nicht-Diplomaten (Theologen, Priester, Pharmazeuten, Ordensbrüder, etc.) zu verdanken, die sich der alljährlichen kaiserlichen Gesandtschaft nach Konstantinopel angeschlossen hatten. Im Vergleich dazu war die osmanische Seite zu keinen Zahlungen verpflichtet, weshalb Legaten nur anlassbezogen bestimmt wurden, wie etwa für das Bekunden des neuen Sultans oder die Beglückwünschung des neuen Kaisers zur Thronbesteigung. Dies ist der hauptsächliche Grund, warum es weitaus weniger osmanische Berichte gibt als auf habsburgischer Seite.

Abb.1: Automatenuhr mit reitendem Pascha; © Kunsthistorisches Museum Wien, Kunstkammer; Link zum Bild

Ein Beispiel für die habsburgischen Gesandtschaftsberichte ist jener von Salomon Schweigger, der Außenstehenden einen guten Einblick über die Reise bis nach Konstantinopel und über Tributzahlungen an die Hohe Pforte gibt. Er war ein evangelischer Priester, der vor allem durch seine Orientreise bekannt geworden ist. Seine Übersetzung des Qurans gehört zu den ersten deutschsprachigen Versionen des Heiligen Buches der Muslime. Seinen Interessen und seiner Leidenschaft folgend brach er im Jahre 1577/78 seine universitäre Bildung ab und schloss sich der kaiserlichen Gesandtschaft nach Konstantinopel an.

Eine Besonderheit des Schweiggers Tagebuches ist es, dass er die Art der Geschenke äußerst penibel wiedergegeben hat. So wird beispielsweise erwähnt, welcher Pascha wie viel Taler bekommen soll bzw. welche Edelgeschenke welchem Pascha überreicht werden sollen. Ansonsten vermittelt Schweigger mit seinen Anekdoten seine Gefühlslage, wie bestürzt er über den kaiserlichen Zustand ist und wie armselig und demütigend, in Bezug auf die kaiserliche Würde, er die Umstände findet.

Schweigger führt in seinem Bericht aus dem Jahr 1578 hinsichtlich der Zahlungen und Empfänger folgende Liste an:

  • Sultan: 40.000 Taler
  • Oberster Pascha (Sokollu Mehmed Pascha): 18.000 Taler
  • Admiral der osmanischen Flotte (Piyale Pascha): 2.000 Taler
  • Ahmed Pascha (Vertrauter des Sultans): 1.000 Taler
  • Meister der Janitscharen: 300 Taler
  • Oberster Türhüter: 1.500 Taler
  • Dolmetscher: 1.000 Taler
  • Gouverneur von Gran: 300 Taler
  • Gouverneur von Buda/Ofen: 3.000 Taler
  • Hofpersonal: 600 Taler
  • In Summe (Geld): 67.700 Taler
  • Silbergeschirr und Uhren: 5.000 Taler

Da nicht explizit erwähnt wird, welche Taler verwendet wurden, wird die Verwendung eines herkömmlichen Reichstalers angenommen, der damals den Wert von etwa 3,5 g Gold besaß. Umgerechnet auf die heutige Zeit, unter Vernachlässigung des Gebrauchswertes und der Kaufkraft, würden die Tributzahlungen im Jahre 1578 etwa 15 Millionen Euro betragen.

Ein weiteres wichtiges Beispiel ist der Bericht des habsburgischen Gesandten Wenzel Graf von Mitrowitz-Wratislaw, der im Jahre 1591 als 15-jähriger Edelknabe Konstantinopel besuchte. Im Gegensatz zu Schweigger sind in seiner Darlegung keine genauen Angaben über die Geldzahlungen an private Personen vorhanden, aber dafür eine äußerst konkrete Wiedergabe von den sogenannten „Ehrengeschenken“.

So beschreibt er unter anderem die zahlreichen persönlichen Geschenke an den Sultan und eine ganze Serie an Objekten, welche zu dieser Zeit an europäischen Höfen sehr beliebt waren: „Eine Uhr in einer silbernen Kugel aus durchbrochener Kettenarbeit, die sich bei jedem Stundenschlag bewegte. Eine Stockuhr in der Form eines Turmes, auf dessen oberstem Gange sich beim Stundenschlag viele Figuren sehen ließen und mancherlei Bewegungen machten. Eine andere Schlaguhr von Schnitzwerk. Ein anderes, viereckiges Uhrwerk, bei dessen Stundenschlage viele Türkenfiguren hervorsprangen und auf ihren Pferden verschiedene Schwenkungen produzierten.

Desgleichen eine lange Stockuhr, auf deren Gipfel die Figur eines Wolfes stand, der in seinem Rachen eine Gans trug; beim Stundenschlage gab die Figur einen Laut gleich dem Wolfsgeheul von sich; worauf dann die Figur eines Türken hervorsprang, mit einer Flinte dem Wolf nacheilte und bei dem letzten Stundenschlage solchen erreichte. Und endlich eine viereckige, glatte Uhr, an welcher die Figur eines Türken angebracht war, die beim Stundenschlage Augen, Mund und Ohren bewegte.“

Der KHM-Museumsverband besitzt zwei solcher sogenannten Automatenuhren aus der Zeit Kaiser Rudolfs II. (1552-1612). In der Kunstkammer in Wien befindet sich eine mit dem Titel „Automatenuhr mit reitendem Pascha“ (Abbildung 1) und im Schloss Ambras in Innsbruck befindet sich die zweite Automatenuhr mit dem Titel „Figurenuhr mit türkischer Barke“ (Abbildung 2).

Beide Kunstwerke funktionieren auf ähnliche Art und Weise, wie schon Wratislaw in seinem Gesandtschaftsbericht eine Reihe solcher Uhren beschrieben hat. Sie sind eben jene Luxusgüter, die im Rahmen der „Türkenverehrung“ und Tributzahlungen (neben Geldgeschenken) dem osmanischen Hof überreicht wurden. Mehrdeutige subliminale Botschaften waren in diesen Objekten zusätzlich versteckt.

Einerseits waren die mechanischen Kunstfertigkeiten – die Uhren konnten zu bestimmten Zeiten (zur Stunde, zur Viertelstunde, etc.) gewisse Bewegungen durchführen – ein Zeichen der göttlichen Eigenschaft, die der Kaiser für sich in Anspruch nahm: Unbelebte Dinge wurden nun in Bewegung gesetzt, wie es vormals nur Gott möglich war. Eine direkte Botschaft an das osmanische Gegenüber, die Macht und Kraft des Kaisers nicht zu unterschätzen.

Abb.2: Figurenuhr mit türkischer Barke, Automat, Türkenautomat; © Kunsthistorisches Museum Wien, Kunstkammer; Link zum Bild

Andererseits vermittelte man zeitgleich mit der Auswahl der Figuren (Sultan, Pascha, Reiter, Wolf, etc.) die Anerkennung der militärischen Stärke der Osmanen.

Zwischen dem Waffenstillstand, der von Kaisers Botschafter Busbecq im Jahre 1555 geschlossen wurde und dem Beginn des Großen Türkenkrieges im Jahre 1593, wurden insgesamt 27 Präsentgesandtschaften dieser Art nach Istanbul geschickt. Stephan Gerlach, ein weiterer Autor eines Gesandtschaftsberichtes, schreibt diesbezüglich, dass in diesem Zeitfenster weit über eine Million Dukaten an Bargeld und zahlreiche Luxusgüter an die Hohe Pforte abgegeben wurden.

Reiseberichte boten für beide Parteien die Möglichkeit, durch Fenster zu blicken und dabei unentdeckte Welten zu erkunden. Dementsprechend kann der Stellenwert sämtlicher Gesandtschaftsberichte, aber auch der vorhandenen Kunstobjekte gedeutet und interpretiert werden. Abseits des militärischen Verlaufes ist besonders der diplomatische Austausch, wie oben beschrieben, maßgeblich verantwortlich dafür, dass sich diese benachbarten Kulturen gegenseitig beeinflussten.

Verwendete Literatur

Karl Teply (Hg.), Kaiserliche Gesandtschaften ans Goldene Horn

Karl Vocelka, Geschichte Österreichs. Kultur – Gesellschaft – Politik

Sabine Haag (Hg.) und Guido Messling (Hg.), Abendland und Halbmond – Occident and Crescent Moon – Batı Dünyası ve Hilal

Uğur Kurtaran, Osmanlı Diplomasi Tarihinin Yazımında Kullanılan Başlıca Kaynaklar İle Bu Kaynakların İncelenmesindeki Metodolojik ve Diplomatik Yöntemler Üzerine Bir Değerlendirme

Kulturgeschichten aus Europa

ein Buch von Thomas Stiegler

Französische Kulturgeschichten 

ein Buch von Anja Weinberger

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