Geschichte der Stadt Augsburg

 

von Christian Schaller

Antike und Mittelalter: Von der römischen Provinzhauptstadt zur mittelalterlichen Reichsstadt

Das Voralpenland galt seit der Antike als wichtiger Kreuzungspunkt zahlreicher überregionaler Handelsstraßen. Die nachmalige römische Provinz Raetia et Vindelicia wurde im Verlauf des Alpenfeldzuges durch Kaiser Augustus bis 15 vor Christus erobert. Der Zusammenfluss der Flüsse Wertach und Lech bot dabei strategische Vorteile, was die Gründung eines Militärlagers im Bereich des heutigen Augsburg-Oberhausens zur Folge hatte.

Nach einem Wertachhochwasser im zweiten nachchristlichen Jahrzehnt wurde ein neues Kastell auf dem heutigen Domhügel gegründet, dessen umgebende Siedlung in der Folgezeit stark florierte.  Gegen Ende des ersten Jahrhunderts löste die sogenannte Augusta Vindelicum die Siedlung Cambodunum, das römische Kempten, als Provinzhauptstadt ab und avancierte hinsichtlich Verwaltung, Wirtschaft und Kultur zur unangefochtenen Metropole des Voralpenlandes. Obwohl sich alle Einrichtungen der Provinzialbehörde ab dieser Zeit zwar in Augsburg zu befinden hatten, so fehlen bislang dennoch die untermauernden Funde und Befunde in vielen Bereichen. Der 2011 eingerichtete Archäologische Garten im Äußeren Pfaffengässchen ist einer der wenigen Erinnerungsorte, die römische Baureste im Stadtgebiet öffentlich zugänglich machen und vermitteln.

Bezeichnend für Augsburg ist die durchgehende Siedlungskontinuität von der Antike in das Mittelalter sowie die daraus resultierende Relevanz des archäologischen Befundes bei der Erschließung der antiken und auch mittelalterlichen Stadtgeschichte. Im frühen Mittelalter findet sich eine auf das Domviertel reduzierte Siedlung mit einer im Vergleich zur römischen Provinzhauptstadt stark reduzierten Bevölkerungszahl belegt, die sich erst über Jahrhunderte hinweg wieder zu einem bedeutenden Bischofssitz und zu einer wichtigen Handelsstadt des Mittelalters und der Frühen Neuzeit entwickeln konnte.

Der Domvorplatz kann darum als ein komplexer Erinnerungsort der Stadtgeschichte gelten, der in seiner gegenwärtigen Form nicht nur die antike und mittelalterliche Stadtgeschichte, sondern auch die frühneuzeitlichen und modernen Überformungen widerspiegelt.

Ein zentrales historisches Ereignis der frühmittelalterlichen Stadtgeschichte Augsburgs stellt die Lechfeldschlacht von 955 dar.

Die darauf einsetzende Stabilisierung Mitteleuropas wirkte sich positiv auf die Entwicklung Augsburgs aus. Die Bischofsstadt avancierte um die erste Jahrtausendwende zu einer Handelsstadt, der eine zunehmend wichtigere, politische Rolle im Ostfrankenreich und dem sich daraus entwickelnden Heiligen Römischen Reich zukam.  Im hohen Mittelalter emanzipierte sich das selbstbewusst gewordene Bürgertum zunehmend von der Bischofsherrschaft und erstritt sich etappenweise bis 1276 die Privilegien der autonomen Verwaltung und Gesetzgebung und den Status einer Freien Reichsstadt.

Frühe Neuzeit: Von der Wirtschaftsmetropole der Renaissance zur Kunststadt des Barock

Die Römergründung Augsburg entwickelte sich im hohen und späten Mittelalter zu einer der bedeutenden Städte des Heiligen Römischen Reiches.  Die schwäbische Reichsstadt etablierte sich zwischen 1300 und 1500 als einer der wichtigsten Handelsplätze Mitteleuropas und als führendes Textilzentrum. Den bekanntesten Vertreter hierfür stellt die Familie Fugger dar, die durch den Barchenthandel, Bergwerke und Bankgeschäfte im 16. Jahrhundert zeitweise zu einem der mächtigsten Handelshäuser der Welt aufstiegen.

Der wirtschaftlichen Blüte seit dem späten 15. Jahrhundert folgte auch eine kulturelle Hochphase. Augsburg transferierte als eine der ersten Städte Mitteleuropas die Formen und Ideen der italienischen Renaissance.  Die ab 1512 erbaute Fuggerkapelle in der Kirche St. Anna gilt als der erste Renaissancebau nördlich der Alpen.  Der frühneuzeitliche Humanismus schlug sich nicht nur in einer gesteigerten Wertschätzung für die römisch-antike Gründung der Stadt nieder, sondern zeigte sich auch in Bauvorhaben. Mit der Fuggerei gründete Jakob Fugger 1521 eine Sozialsiedlung, welche als eine der ältesten ihrer Art gilt.

Durch die Reichstage, vor allem zwischen 1500 und 1582, erhielt die Reichsstadt auch ein politisches Gewicht und avancierte zu einer wichtigen Stätte der Reformation. Die Lutherstiege in St. Anna bildet gegenwärtig einen zentralen Erinnerungsort für diesen Teil der Stadtgeschichte.

Augsburg entwickelte sich in dieser Wechselwirkung aus Wirtschaft und Kunst unter anderem zu einem süddeutschen Zentrum der Schmiede- und Kunsthandwerksarbeit, der Fassadenmalerei, des Buchdrucks oder auch der exzellenten Wassertechnik. Die um 1600 bereits schwindende ökonomische Stärke wurde teilweise durch ein repräsentatives Stadtbauprogramm und öffentliche Kunstwerke zu kompensieren versucht.

Bis heute sind die durch den hauptverantwortlichen Stadtbaumeister Elias Holl geschaffenen Gebäude wie das Rathaus mit dem Goldenen Saal stadtbildprägend.

Der Dreißigjährige Krieg von 1618 bis 1648 bedeutete einen Einschnitt für Augsburg. Die Zeit der Handelshäuser und Reichstage war vorüber, die paritätische Reichsstadt entwickelte sich in der Folgezeit jedoch zu einer barocken Kunstmetropole. Das nach wie vor überregional geschätzte Kunsthandwerk wurde durch europaweit agierende Agenten vertrieben.

Augsburg wurde 1806 von dem jungen Königreich Bayern mediatisiert.  Die Auflösung der über fünfhundertjährigen Autonomie und die Degradierung zu einer bayerischen Provinzstadt stellte eine Zäsur in der Stadtgeschichte dar und beseitigte die letzten Nachklänge des „Goldenen Zeitalters“.

Neue und Neueste Geschichte: Von der bayerischen Provinzstadt zum modernen Augsburg

Nach dem Ende der reichsstädtischen Selbstständigkeit schien die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung der Stadt zunächst zu stagnieren. Für die ehemalige Reichsstadt wurde die Industrialisierung nach der Zäsur durch die Mediatisierung zu einer Chance und zu einem Ausweg aus der Krise.

Die frühneuzeitliche Weberstadt war bereits im 18. Jahrhundert zu einem Zentrum des Kattundrucks in Mitteleuropa aufgestiegen.  Eine systematische Wirtschaftspolitik fehlte weitgehend, während private Unternehmen eine rege Tätigkeit entwickelten.  Für das bald sogenannte „deutsche Manchester“ bedeutete dies die Errichtung zahlreicher Großbauten wie der Augsburger Kammgarn-Spinnerei, kurz AKS, der Baumwollspinnereien der SWA, zu denen auch der heutige, sogenannte Glaspalast zählt, oder des Städtischen Schlacht- und Viehhofs.  Die AKS und die SWA etablierten sich als zwei der wichtigsten Augsburger Unternehmen, nach 50 Jahren des Bestehens verzeichnete die AKS im Jahr 1888 bereits um die 1000, die SWA um die 1400 Beschäftigte.

Die Ansiedlung von Fabriken und Arbeiterwohnvierteln östlich und nördlich der Altstadt erwies sich während des 19. Jahrhunderts von folgenschwerer Bedeutung für die städtebauliche Entwicklung. Durch die Industrialisierung veränderte sich das Erscheinungsbild von Stadt und Landschaft deutlich.

Im Augsburger Textilviertel, dem planlosen und polyzentralen Brennpunkt der Industrialisierung in Bayerisch-Schwaben, waren diese Auswirkungen signifikant. Dieser Superlativ des industriellen Zeitalters lässt sich gleichsam auf die Demontage am Ende des 20. Jahrhunderts übertragen. Nachdem die meisten industriellen Betriebe bis in die 1990er Jahre aufgegeben worden waren, folgten vielerorts Abrisse, aber auch Umnutzungen.

Die radikale Konversion und Negierung der überkommenen Substanz und damit ihrer historischen Aussagekraft führte zu einer Fragmentierung des städtebaulichen Gefüges.  Durch die Bevölkerungsexplosion sowie die zunehmende Urbanisierung und Industrialisierung herrschte seit dem 19. Jahrhundert und durch die Weimarer Zeit hindurch ein zunehmend katastrophaler Wohnungsmangel.  Während des nationalsozialistischen Regimes wurde diese Not nach wie vor ignoriert. Viel eher sollte in einem gigantomanischen Projekt, auf das Adolf Hitler selbst Einfluss nahm, ab 1939 der radikale Stadtumbau Augsburgs zu einer Gauhauptstadt Schwabens erfolgen, der zudem ein monumentales Gauforum samt Aufmarschstraße projektierte. Der Kriegsbeginn machte diese Planungen obsolet.

Im Gegensatz dazu entstanden im Westen der Stadt Wehrmachtsbauten, die nach Kriegsende von der US-amerikanischen Armee übergangslos weitergenutzt wurden. Die entstehenden Garnisonsviertel mit Wohnbauten, vor allem aber die Denkmale des Sheridan Park, bilden wichtige Erinnerungsorte für die Stadtgeschichte von der Mitte des 20. Jahrhunderts bis zur Jahrtausendwende.

Die Stadtgeschichte nach 1945 war geprägt von einem Wandel aller Bereiche des öffentlichen Lebens – der Politik und Sozialentwicklung, der Raumstruktur und Bevölkerung sowie der Wirtschaft und Kultur. Die komplexen Wechselbeziehungen zwischen der Stadt Augsburg und den stationierten US-Amerikanern wirkten sich nachhaltig auf das Stadtbild, Politik, Wirtschaft und die Alltagskultur aus und nehmen eine zentrale Rolle für die Nachkriegsgeschichte Augsburgs ein.

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von Christian Schaller

Verwendete Literatur
  • Gottlieb, Gunther u.a. (Hg.): Geschichte der Stadt Augsburg. Von der Römerzeit bis zur Gegenwart. Stuttgart 1984.
  • Kluger, Martin: Augsburg. Stadtführer durch 2000 Jahre Geschichte. Augsburg 2014.
  • Roeck, Bernd: Geschichte Augsburgs. München 2005.
  • Zorn, Wolfgang: Augsburg. Geschichte einer europäischen Stadt. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. 4. Aufl. Augsburg 2001.

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