Die Geschichte der Frankfurter Bethmännchen

 

von Peter Nething

Das Bankhaus Bethmann ist in Frankfurt jedem Einheimischen ein Begriff. Das Gebäck »Bethmännchen« tut sich da mit dem Bekanntheitsgrad schon etwas schwerer. Wie kommt es nun, dass ein Marzipangebäck den verniedlichten Namen eines Bankhauses trägt?

Der Bankier, Staatsrat Simon Moritz Bethmann, führte ein großes Haus, in dem ständig einflussreiche und anspruchsvolle Persönlichkeiten zu Gast waren. So gab sich zum Fürstentag 1863 sogar Kaiser Franz Josef von Österreich mit 24 Fürsten und Bürgermeistern der Freien Städte die Ehre in der Villa Ariadne, der Sommerresidenz der Bethmanns am Friedberger Tor.

Zu dieser Geschichte gesellte sich nun der aus Paris zugewanderte Koch Jean Paul Gautenier, der sich Ende des 18. Jahrhunderts im Ort Friedrichsdorf im Taunus, vor den Toren der Stadt, angesiedelt hatte. Er stieg langsam die Karriereleiter empor und wurde eines Tages als Küchenchef der Bankiersfamilie Bethmann angestellt.

Bethmännchen, © RMKasper

Bei einer Soirée sollte nun den Herrschaften ein ganz besonderes Dessert gereicht werden, sodass Monsieur Gautenier seiner Kreativität freien Lauf lassen konnte, um etwas noch nie Dagewesenes zu kredenzen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch waren vor allem die schweren »Brenten« in Frankfurt ein populäres Gebäck, das in gutbürgerlichen Kreisen gerne zum Nachmittagstee gereicht wurde.

Auch der große Sohn der Stadt, Johann Wolfgang von Goethe, war natürlich ein Liebhaber dieser Schleckerei. Gautenier hatte nun die Idee, die bisher in Modeln verarbeitete Brentenmasse in mundgerechte kleine Kugeln zu formen, verfeinerte den Teig mit Rosenwasser, bestrich die Kugeln mit Eigelb und verzierte sie mit vier Mandeln. Jede Mandel stand symbolisch für einen der aufstrebenden Söhne des Hauses: Moritz, Karl, Alexander und Heinrich. Und schon war eine Delikatesse geboren, die bald in buchstäblich aller Munde war.

Dem aufmerksamen Beobachter dürfte nicht entgangen sein, dass sich heutzutage nur mehr drei Mandeln an einer Kugel befinden. Leider verstarb der Sohn Heinrich Bethmann 1845 mit nur 24 Jahren, sodass man in tiefer Trauer über diesen Verlust seitdem eine Mandel weniger an der Süßigkeit anbringt. Diese Tradition ist seit 1845 ungebrochen.

Verwendete Literatur

Kulturgeschichten zum Kaffee

von Thomas Stiegler

 

Süddeutsche Küche

Anekdoten, Rezepte und mehr – von Christian Schaller

 

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