Ein Herz für Porto

 

von Maria Pussig

Die folgende Geschichte ist – im wahrsten Sinne des Wortes – eine Herzensangelegenheit und zählt mit Sicherheit zu den skurrilsten Begebenheiten in der Historie Portugals und der Stadt Porto.

Dennoch scheinen sie nicht viele Leute zu kennen und auch die Igreja da Lapa, die darin eine tragende Rolle spielt, zählt nicht zu jenen Sehenswürdigkeiten, die von Touristinnen und Touristen in Porto gleich als erstes angesteuert werden.

Gerade deshalb wird es Zeit, dieser Geschichte auf den Grund zu gehen und etwas tiefer darin einzutauchen. Vielleicht wird so am Ende auch verständlich, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Aber nun beginnen wird am besten einmal mit der Biographie jenes Mannes, ohne den diese Geschichte überhaupt gar nicht erst erzählt werden könnte: Pedro I von Brasilien bzw. Pedro IV von Portugal.

Ein Monarch zwischen Brasilien und Portugal

Dom Pedro wurde am 12. Oktober 1798 als Sohn des späteren Königs Dom João VI und seiner Gattin Dona Carlota Joaquina de Bourbon in Lissabon geboren. Es heißt, dass der kleine Pedro seine Eltern höchstens zu besonderen Staatsanlässen zu Gesicht bekommen habe und ansonsten seine ersten Jahre fernab von ihnen im Queluz-Palast, umgeben von Gouvernanten und Lehrern, verbracht habe. Schon früh geriet jedoch auch diese behütete Umgebung ins Wanken, als gegen Ende des Jahres 1807 Napoleons Truppen damit drohten, in Portugal einzumarschieren.

Noch bevor die Invasion zu einem – für die Franzosen – erfolgreichen Ausgang kommt, schafft es die königliche Familie, nach Rio de Janeiro zu fliehen, wo sie sich zu Beginn des Jahres 1808, nach einem kurzen Aufenthalt im Paço Real, im Paço de São Cristóvão niederließ. Dom Pedro war zu diesem Zeitpunkt ein kleiner Junge von gerade einmal neun Jahren und glaubt man Geschichten, die man sich in der Bevölkerung vom kleinen „Pedrinho“ erzählt, so dürfte es sich bei ihm um einen lebhaften Jungen gehandelt haben, der seine neue exotische Heimat in vollen Zügen genoss. So habe er beispielsweise regelmäßig Reißaus genommen, um mit den anderen Kindern am Hafen zu spielen, anstatt sich von seinen Hauslehrern unterrichten zu lassen.

Der Ernst des Lebens begann für Dom Pedro mit dem Tod seiner Großmutter Dona Maria I im Jahre 1816, wodurch sein Vater Dom João zum König und er selbst zum Thronfolger wurde. Alsbald wurde daher auch eine Frau für den energischen Pedro gesucht, der mittlerweile zu einem jungen Mann von 18 Jahren herangewachsen war. In der Tochter des österreichischen Kaisers, Erzherzogin Carolina Josefa Leopoldina, fand man die passende Gattin und schon im darauffolgenden Jahr wurde geheiratet.

Büste am Catete Palast, Rio de Janeiro; © leogaleno

 

Ab 1820 kam es in Portugal unter der Abwesenheit der Königsfamilie zunehmend zu Unruhen durch die Vertretung der Liberalisten, welche sich einerseits gegen die Anwesenheit britischer Truppen im Land aussprach und andererseits eine konstitutionelle Monarchie anstrebte. Durch einige geschickte Schachzüge auf innenpolitischer Ebene gelang es den Liberalisten noch im selben Jahr, einige ihrer Ziele durchzusetzen. Beflügelt von den Nachrichten aus Übersee formierten sich nun auch in Brasilien unter den dort stationierten Militärs ähnliche liberale Gruppierungen, welche die Übernahme der portugiesischen Verfassung und damit den Abtritt des Status als Kolonialgebiet für das Land forderten. Der amtierende König Dom João gab den Forderungen nach ausführlichen Verhandlungen und Beratungen vorerst nach.

Daraufhin kehrte die königliche Familie 1821 nach Portugal zurück, wobei Dom Pedro und seine Gattin als Vertreter des Königshauses in Brasilien zurückgelassen wurden. Wieder in Portugal angekommen, versuchte man am königlichen Hof, eine Möglichkeit zu finden, den kolonialen Status Brasilien wieder herzustellen, was jedoch in Brasilien nur noch mehr zur Unabhängigkeit von Portugal motivierte.

Der in Rio de Janeiro verbliebene Dom Pedro identifizierte sich zudem immer mehr mit den liberalen Gruppierungen Brasiliens, sodass er im Oktober 1812 endgültig die Unabhängigkeit Brasiliens ausrief und von der lokalen Stadtverwaltung zum konstitutionellen Kaiser ernannt wurde. Allerdings verlieh Dom Pedro seinem Vater Dom João den Titel des Kaisers von Brasilien, während er selbst weiterhin der formale Kronprinz Portugals blieb. Dies machte den portugiesischen König bis zu dessen Tod 1826 zumindest formal weiterhin zum Mit-Staatsoberhaupt Brasiliens und demonstrierte die enge Familienbande zwischen beiden Staaten.

Beim Leiermann gibt es auch einen Kulturblog – hier ist der direkte Weg dorthin

Der Krieg der zwei Brüder

Nach der Revolte von 1820, die in Portugal zumindest auf offizieller Ebene den Liberalismus eingeführt hatte, erlebte das Land mehrere Jahre der politischen Instabilität, die geprägt war von den Machtkämpfen zwischen liberalen und absolutistischen bzw. konservativen Fraktionen. Trotz der sich ändernden gesellschaftlichen Werte war es schwierig, die neue soziale, politische und wirtschaftliche Ordnung durchzusetzen und so kam es immer wieder zu Putschversuchen verschiedenster Interessensgruppen, welche einige Jahre nach dem Tod des Monarchen Dom João in einem Bürgerkrieg endeten.

Igreja de Nossa Senhora da Lapa; © Relay24

Mitverantwortlich für den Ausbruch des Bürgerkrieges 1832 waren mit Sicherheit auch die familieninternen Rivalitäten und Intrigen, die sich rund um den königlichen Hof abspielten. Die Geschichte hat schon oft gezeigt, dass selbst – oder vielleicht gerade – Adelshäuser nicht vor Familienstreitigkeiten und geschwisterlichen Ressentiments gefeit sind – so auch im Fall Dom Pedros und seines jüngeren Bruders Dom Miguel. Bereits im Jahr 1828 hatte Dom Miguel die Macht in Portugal an sich gerissen und wurde zum absoluten König ernannt, womit er die Abmachungen missachtete, die zuvor sein Bruder Dom Pedro – seines Zeichens immer noch Kaiser von Brasilien – getroffen hatte.

Der eigentliche Bürgerkrieg begann, nachdem Dom Pedro 1831 in Brasilien als Kaiser abgedankt und seinen Sohn zu seinem Nachfolger ernannt hatte. Noch im selben Jahr kehrte er nach Europa zurück, um dort gegen die absolutistische Herrschaft seines Bruders vorzugehen. Im Juli 1832 landeten die ersten liberalen Truppen in Matosinhos (nahe Porto), die im Kampf gegen Dom Miguel von seinem Bruder geschickt worden waren. Viele Liberalisten des Landes schlossen sich diesen an und kämpften gegen die konservativen Miguelisten. Das Ende des Krieges ist schnell auf den Punkt gebracht: Nach zwei Jahren intensiver Kämpfe, in denen die miguelistischen Truppen ihre Schwächen offenbarten, endete der Bürgerkrieg im Alentejo mit der Unterzeichnung der Konvention von Évora Monte und Dom Miguel wurde von der Bildfläche verbannt.

Zwischen den Kulturhauptstädten Porto und Guimarães liegt der familiär geführte Bio-Hof Quinta do Pinheiro, der mit einem hauseigenem Museum im ehemaligen romanischen Wachturm und seiner direkter Lage an antiken Römerstraßen zu einer Zeitreise einlädt.

Quinta do Pinheiro – wo Geschichte nachhaltig wirkt!

Dom Pedros letzte Ruhestätte(n)

Dass sich auch nach dem Bürgerkrieg der Liberalismus in Portugal nie ganz durchsetzen konnte und auch absolutistische Ideen sich weiter wie Geister vergangener Tage herumtrieben, bedürfte einer eigenen Abhandlung. Für die vorliegende Geschichte ist jedoch vor allem folgende Begebenheit von Belangen: Während der Belagerung Portos (siehe dazu auch „(Vaterlands-)Liebe geht durch den Magen“ in den Jahren 1832/33 durch die Truppen Dom Pedros hatte dieser von der Bevölkerung größtmögliche Loyalität und Unterstützung erfahren.

Kurz nach dem Ende des Krieges 1834 verstarb Dom Pedro an Tuberkulose und veranlasste in seinem Testament, sein Herz der Stadt Porto zu vermachen, um der Bevölkerung für ihre Treue zu danken. So kam es, dass gemäß diesem Willen seither sein Herz in der Igreja da Lapa in Porto aufbewahrt wird, während sein Körper im Pantheon des Hauses Braganza in Lissabon beigesetzt wurde. Letzterer wurde jedoch 1972 nach Brasilien überführt, wo er seither in São Paolo seine letzte Ruhestätte fand.

Die Igreja da Lapa ist eine Kirche im neoklassizistischen Stil, welche im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts Auftrag des brasilianischen Priesters Ângelo Sequeira erbaut wurde. Die architektonische Gestaltung geht auf die Architekten João Strovel und José de Figueiredo Seixas zurück, während die Innenausstattung unter anderem vom Bildhauer Manuel Moreira da Silva aus Porto gefertigt wurde.

Der kleine Schrein, in dem das Gefäß mit Dom Pedros Herz aufbewahrt wird, wurde vom Architekten Joaquim da Costa Lima Júnior entworfen und befindet sich in der Nähe des Hauptaltares, wo er ganzjährig besichtigt werden kann. Das Herz des Monarchen selbst bekommt man als gemeiner Tourist kaum zu Gesicht, jedoch stellt die Stadt Porto ausreichend Bild- und Videomaterial zur Verfügung, auf denen man das königliche Organ betrachten kann.

© bbartech

Regent mit Herz

Die historischen Hintergründe zur Unabhängigkeit Brasiliens und dem portugiesischen Bürgerkrieg könnten mit Sicherheit noch viel weiter entfaltet und in ihren Details analysiert werden. Doch dies war nicht Sinn und Zweck dieses Beitrags. Viel eher konnte gezeigt werden, welche Rolle persönliche Interessen und menschliche Sympathien bei Regentschaft eines Landes spielten und vielleicht auch gegenwärtig noch spielen. Dass Herz – oder zumindest den Aufbewahrungsort desselben – eines ehemaligen Monarchen zu besichtigen, ist für uns heute eine skurrile Attraktion, vor 200 Jahren aber war es der Ausdruck tiefer Verbundenheit zwischen einem Regenten und seinem Volk.

Altweibersommer

ein Buch der Leiermann-Autorinnen und -Autoren.

Mit Texten zu einer besonderen Zeit.

 

 

„Wir spielen doch alle“

ein Buch der Leiermann-Autorinnen und -Autoren

 

 

Verwendete Literatur

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von www.jpn.up.pt zu laden.

Inhalt laden

https://visitporto.travel/en-GB/poi/5cd04b51f979e000019b65dc#/

 

Wollen Sie immer über die neuesten Aktivitäten beim Leiermann informiert werden?

Der Leiermann wird zu 100% privat getragen, organisiert und voran gebracht. Mit Ihrer Unterstützung könnten wir noch mehr schaffen.

 

Der Leiermann Buchverlag

Unsere StadtschreiberInnen

Der Leiermann-Blog zur Literatur

Kalender-geschichten

365 +1 fesselnde Einblicke in unsere Kulturgeschichte

Ein inspirierender Begleiter für jeden Tag – entdecken Sie Geschichte, Musik, Literatur, Kunst und mehr. Ein zeitloser Kalender, der unterhält und überrascht. Ein Buch für alle, die die Vielfalt unserer Kultur schätzen.
Zum Buch
close-link

Pin It on Pinterest

Share This