Ein Ausflug in Venedigs Lagune nach Torcello

von Anja Weinberger

Steigt man in Venedig an der Haltestelle Fondamente Nove in ein Vaporetto der Linie 12, so fährt man vorbei an der Friedhofsinsel San Michele, hält am Anleger Murano Faro und hat dann eine längere Strecke vor sich, ehe der Wasserbus die Insel Burano erreicht. Von hier aus sind es nur noch wenige Meter und wenige Minuten, und man ist auf Torcello angekommen.

Haltestelle Murano Faro, © pixabay
Burano mit seinen bunten Häusern und dem schiefen Kirchturm, © pixabay
Die Insel Torcello hat heute noch ungefähr 10 Einwohner, die wirklich ganzjährig hier leben. Seine Blütezeit erlebte das flache Eiland um das 10. Jahrhundert und versank danach wieder im Dunst der Bedeutungslosigkeit. Aus dieser großen Zeit erhalten sind nur der Dom Santa Maria Assunta und direkt daneben die Kirche Santa Fosca.

Eindrucksvoll und suggestiv ist es, über die flache, leere Lagune auf Burano und Torcello zuzufahren. Hier gewinnt man am ehesten einen Eindruck von der ursprünglichen Lagunenlandschaft. Und möglicherweise kann man sich an diesem Ort auch eine Vorstellung von Venedig in seiner Frühzeit machen. Einsam ragt der Glockenturm des alten Domes Santa Maria Assunta in den Himmel, umgeben von nur wenig bewachsenen, flachsten Inseln und dem endlosen, dunklen Wasser der nördlichen Lagune, das hier kaum mehr von den Gezeiten berührt wird.

Bei guten Wetter sieht man bei der Anfahrt an die Haltestelle Torcellos sogar die Alpen, © pixabay
Einmal an der Vaporetto-Anlegestelle auf Torcello angekommen, spaziert man entlang eines Kanales quer über die grüne Insel. Mehrere gute Lokale haben sich hier einen Platz im Herzen der Venezianer erobert und sind vor allem in der Mittagszeit und am Wochenende gut von Einheimischen, aber natürlich auch Touristen besucht.

Eines davon ist die berühmte Locanda Cipriani. Giuseppe Cipriani eröffnete 1931 in Venedig nahe des Markusplatzes auch Harry’s Bar, die in den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein Treffpunkt der Schönen und Reichen war. 

Kirchenbau und KIrchengeschichte beim Leiermann – ein Blog
Nach kaum 10 Minuten hat man schließlich die gegenüberliegende Seite der Insel erreicht und kam dabei auch an der alten Brücke Ponte del Diavolo vorbei, die wie viele typisch venezianische Brücken kein Geländer aufweist. Nun überquert man den Ponte di Santa Maria, die zweite Brücke Torcellos, und ist dort angekommen, wo ab dem 10. Jahrhundert das Leben pulsierte.

Mehrere Ausgrabungen haben zu der Erkenntnis geführt, dass Torcello in seiner Hochzeit zwischen 10 000 und 20 000 Einwohner beherbergte und größer und reicher war, als Venedig selbst. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts endete diese Blütezeit schlagartig, denn die Lagune um Torcello versumpfte immer mehr, und Malaria-Epidemien machten das Leben von da an unmöglich.

Die Kathedrale Santa Maria Assunta, vor der man nun staunend steht, wurde im späten 7. Jahrhundert gegründet und ist somit eine der ältesten erhaltenen Kirchenbauten Venedigs. Sie wurde in den Folgejahren umgebaut, vergrößert und erhielt den separat stehenden Glockenturm. Ihre Front wirkt auf uns etwas unaufgeräumt und willkürlich. Hauptsächlich dürfte das daran liegen, dass das Baptisterium auf dem Vorplatz bis auf wenige Steine verschwunden ist, eine Einzäunung etwas ungünstig vorgesetzt wurde und einige Fundstücke präsentiert werden.

Im Ganzen stellt die Kathedrale jedoch ein großartiges Beispiel dar für den frühchristlichen Kirchenbau. Ihre basilikale Grundstruktur, der offene Dachstuhl und vor allem natürlich die erhaltenen Mosaiken, denen Torcello hauptsächlich seine heutige Strahlkraft verdankt, verblüffen angesichts der heutigen Einsamkeit auf Torcello. Man bedenke außerdem, dass ein Großteil des Materials für den Bau über das Wasser herangeschafft werden musste.

 

Santa Maria Assunta, © privat
Die angesprochenen Mosaiken stammen zum Großteil aus der letzten Phase der Besiedlung Torcellos, also aus dem 11. und 12. Jahrhundert. Herrlich die Muttergottes in der Apsis und an der Westwand das Jüngste Gericht , das erstaunlich gut erhalten ist.
Die romanische Kirche Santa Fosca direkt neben Santa Maria Assunta wirkt auf den ersten Blick wesentlich besser erhalten. Sie stammt aus dem 11. Jahrhundert und wurde erbaut als Sanktuarium für die Gebeine einer Märtyrerin, der heiligen Fosca. Ein später errichteter Säulengang verbindet die beiden Kirchen.
Santa Fosca, © privat
Auf Torcello vergeht die Zeit schnell. Nach einem ausgedehnten Spaziergang über die Insel, einem Besuch des kleinen Museums oder des privaten Ateliers Museo Andrich und nicht zuletzt nach einem Aperitivo in einer der Locande kann man auf der ungefähr 40minütigen Rückfahrt mit dem Vaporetto nach Venedig seine Gedanken schweifen lassen.
 

 

 

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