Domvorplatz in Augsburg

 

von Christian Schaller

Mittelalterliche Städte entstanden oft aus mehreren Keimzellen heraus, unter denen die Domkirche und ihre bauliche Umgebung oft eine Schlüsselrolle einnahmen.

Ein Platz kann als eine räumliche Aufweitung definiert werden, die der baulich-funktionalen Dichte der Stadt entzogen wird und als absichtsvoll eingerichteter Schauplatz für Rituale und Interaktionen dient. Somit kann auch der dem Augsburger Dom vorgelagerte Platz als ein zentraler Erinnerungsort der Stadtgeschichte interpretiert werden. Obgleich für die Stadt eine fast lückenlose Besiedlung archäologisch erwiesen ist, so war das Stadtgebiet in der Spätantike stark geschrumpft.

Das Christentum fungierte als Mittler zwischen dem antiken und dem christlichen Augsburg, aus dem frühen Bischofssitz entwickelte sich unter königlicher Förderung im 9. und 10. Jahrhundert ein bischöflicher Sitz mit Markt-, Münz- und Zollrecht. Der Bau einer Stadtmauer und die zunehmende Niederlassung von Kaufleuten und Handwerkern bildeten den Ausgangspunkt für Augsburgs Blüte in der Frühen Neuzeit.

Ein Bischofssitz ist erst ab dem 8. Jahrhundert in diesem Areal klar nachzuweisen, der heutige Bistumspatron und Stadtheilige Bischof Ulrich ließ im 10. Jahrhundert den circa 300 auf 620 Meter großen Mauerring um die Domburg verstärken. Augsburg wird damit als ein wichtiger Ort der fränkisch-karolingischen Königsherrschaft interpretiert. Dennoch konnten Originalteile dieser Bischofsmauer bislang nicht gefunden werden.

Der Augsburger Dom entstand ab dem 11. Jahrhundert als fünfschiffige Basilika mit Querhaus und Westchor, einem im 14. Jahrhundert errichteten Kathedralchor im Osten sowie zwei seitlichen Türmen. Der Kern des Sakralbaus ist die älteste und am besten erhaltene ottonische Kathedrale in Deutschland. Das heutige Erscheinungsbild ist – vor allem an der Außenfassade – von gotischen Umbauten im 14. und 15. Jahrhundert geprägt. Das südliche, gotische Hauptportal ist dem Domvorplatz zugewandt.

Der Gebäudekomplex der ehemaligen Fürstbischöflichen Residenz schließt den Domvorplatz nach Westen hin ab. Er war die Residenz der Fürstbischöfe von Augsburg, deren geistlicher Amtsbereich das Bistum Augsburg und deren weltliches Herrschaftsterritorium das Hochstift Augsburg war.

Unter Einbeziehung älterer Vorgängerbauten zwischen 1740 und 1752 unter Fürstbischof Joseph Landgraf von Hessen-Darmstadt errichtet, ist der Spätbarockbau seit 1817 Sitz der Regierung von Schwaben.

Romanisches Westschiff des Augsburger Domes, ©ChristianSchaller

Der Hauptbau bestand ursprünglich aus drei aneinandergereihten Häusern aus der Zeit des Mittelalters einschließlich des 1507/1508 erhöhten Pfalzturmes, von dem aus 1530 die Confessio Augustana verlesen wurde – bis heute eine grundlegende Bekenntnisschrift der lutherischen Kirchen.

Bereits vor 1680 unter Fürstbischof Johann Christoph von Freyberg zu einem einheitlichen Gebäude zusammengefasst, wurden die drei Gebäudeteile unter Fürstbischof Joseph Landgraf von Hessen-Darmstadt nach den Plänen des Eichstätter Baudirektors Gabriel de Gabrieli zu einem dreigeschossigen Gesamtbauwerk mit einer einheitlichen Fassade vereinigt. Dabei wurde der Hauptflügel der heutigen Residenz im Jahre 1743 von Johann Benedikt Ettl, der Nordflügel bis 1752 von Franz Xaver Kleinhans im Stil des Spätbarocks umgebaut.

Der mittelalterliche Pfalzturm blieb bei diesen Umbauten erhalten. Die barocken Fassaden sind mit Putzgliederung und Stuck überzogen, Risalite und Giebel aus dem 18. Jahrhundert sollten Symmetrie und Einheitlichkeit verleihen. Im Inneren befinden sich ein Prunkaufgang und ein Rokokosaal. Der von Säulen getragene Balkon über dem prächtigen Ostportal wurde zwischen 1784 und 1789 als Erinnerung an einen Besuch Papst Pius‘ VI. im Jahr 1782 angefügt. Ein südwestlicher Erweiterungsbau über der ehemaligen Pfalzkapelle sowie ein Gardistengebäude entstanden im Jahre 1902.

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Der ehemaligen Fürstbischöflichen Residenz östlich vorgelagert befindet sich der Fronhof. Als Fronhof wird der herrschaftliche Gutshof bezeichnet, der im Zentrum einer Villikation, also einer Einheit innerhalb einer mittelalterlichen Form der Grundherrschaft, steht. Das Wort leitet sich vom althochdeutschen frô „Herr“ her. Ursprünglich teilweise als Friedhof des Augsburger Doms genutzt, diente der Fronhof über die Jahrhunderte hinweg als Turnier- und Exerzierplatz. Im Mittelalter und der Frühen Neuzeit umschloss der Fronhof neben dem Dom ein Konglomerat aus Kapellen, Repräsentations- und Verwaltungsgebäuden, Wohnungen und Ställen und war ein Austragungsort für Festlichkeiten und Turniere.

Auf Beschluss des Magistrats wurde er 1878 in eine öffentliche Gartenanlage umgewandelt. Diese Parkanlage wurde auf das 1876 errichtete Friedensdenkmal des Wiener Bildhauers Caspar von Zumbusch ausgerichtet. Es erinnert an den Friedensschluss am Ende des Deutsch-Französischen Kriegs und ist gekrönt von der überlebensgroßen Bronzefigur eines antiken Kriegers, der sein Schwert in die am Gürtel hängende Scheide zurücksinken lässt. Lobend hervorgehoben wurde bereits bei seiner Eröffnung, dass das Denkmal nicht den Sieg, sondern den Frieden betont und nicht der Verherrlichung militärischen Ruhmes huldigt. Ein weiteres Denkmal im Fronhof stellt als Reliefs auf einer Stele Leopold Mozart und Wolfgang Amadeus Mozart dar. Es wurde 1991 zum 200. Todestag von Wolfgang Amadeus von der Mozartgemeinde Augsburg gestiftet.

Römermauer auf dem Augsburger Domvorplatz, ©ChristianSchaller

Bis zur Säkularisation des Hochstifts Augsburg war der westlich des Residenzgebäudes gelegene Hofgarten in fürstbischöflichem Besitz. Seit 1817 steht er im Eigentum des bayerischen Staates und ist seit 1965 für jedermann zugänglich.

Das benachbarte Peutingerhaus in Augsburg diente ab 1515 als Wohnsitz des Humanisten und Stadtschreibers Konrad Peutinger (1465–1547). Das im Kern noch aus dem Mittelalter stammende Gebäude wurde im 18. Jahrhundert umgebaut.

In den Wänden der Tordurchfahrt und des Innenhofs befinden sich einige römische Grabsteine und ein Stein aus dem Mittelalter mit hebräischer Inschrift, die der passionierte Antikensammlers Peutinger dort einmauern ließ.

Nach der Begrünung und gärtnerischen Gestaltung des Fronhofes im späteren 19. Jahrhundert, wurden bis 1930 die Fundamente der unter Napoleon abgetragenen Johanneskirche freigelegt und als archäologisches Fenster belassen. Darunter liegende Schichten, beispielsweise ein römisch-antikes Repräsentationsgebäude, sind bis in die Gegenwart nicht direkt sichtbar. Zwischen 1927 und 1931 projektierte der Architekt Thomas Wechs zusammen mit dem Bildhauer Fritz Beck den Bau eines kostengünstigen Kriegerdenkmales, das zu diesem Zweck mit der Neuordnung südlich des Domes verbunden werden sollte. In Anlehnung an die 1808 abgetragenen Mauern des Domfriedhofes sollte der Bereich vor dem romanischen Seitenschiff sowie der zur Stadt gewandte gotische Chor durch Mauerzüge in zwei eigenständige Platzsituationen geteilt werden. 

Nach Bedenken des Domkapitels reduzierte Wechs in einem zweiten Entwurf 1929 die Mauerhöhen und öffnete Sichtachsen in Richtung des Fronhofes. In einem dritten Entwurf 1931 ersetzte Wechs die Mauerzüge schließlich durch drei Inschriftensteine, eine Treppe trennte die Bereiche des romanischen und gotischen Domteils voneinander. Ein Gedächtnisraum und ein Wasserbecken schlossen die Anlage nach Norden hin ab. 

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von Christian Schaller

Nach Bedenken des Domkapitels reduzierte Wechs in einem zweiten Entwurf 1929 die Mauerhöhen und öffnete Sichtachsen in Richtung des Fronhofes. In einem dritten Entwurf 1931 ersetzte Wechs die Mauerzüge schließlich durch drei Inschriftensteine, eine Treppe trennte die Bereiche des romanischen und gotischen Domteils voneinander. Ein Gedächtnisraum und ein Wasserbecken schlossen die Anlage nach Norden hin ab. 

Alle drei Pläne kamen nie zur Ausführung, können aber als Vorarbeit für die späteren Planungen in der Nachkriegszeit gelten. Der Augsburger Stadtbaurat Walther Schmidt versuchte 1954 die historische Friedhofsumgrenzung durch den Bau von zwei Mauern wieder anzudeuten, wovon jedoch nur der westliche Mauerzug, die sogenannte Römermauer, umgesetzt wurde.  Auch hierbei sollte durch die Gliederung des Platzes an den Domfriedhof erinnert und der bauhistorische Kontext sowie die historische Schichtung des Ortes in zeitgenössischer Formensprache inszeniert werden.

Der Architekt Hans Engel und Umweltgestalter Frieder Pfister entwarfen 1983 eine Terrasse vor dem Ostchor und dem gotischen Südportal des Doms, die damit den Domvorplatz nach Osten hin abschloss. Das bis dahin leicht ansteigende Terrain wurde durch eine bühnenartige Situation mit Brüstung und Freitreppe ersetzt. Im Jahr 1986 wurde ein Brunnen mit Bronzefiguren der drei Bistumspatrone Afra, Simpert und Ulrich von Josef Henselmann ergänzt. 

Die Römermauer zwischen Dom und archäologischem Fenster präsentiert in ihrer neuen Konzeption gegenwärtig Ehreninschriften des dritten Jahrhunderts, Grabmäler, Inschriften und Reliefs des Kultwesens sowie Architekturelemente wie Gesimse und Säulenteile.  Dahinter befindet sich, zusätzlich durch Bäume abgeschirmt, der parkartig gestaltete Fronhof mit dem Friedensdenkmal und dem Bischofspalais, der heutigen Regierung von Bayerisch-Schwaben.

Archäologisches Fenster auf dem Augsburger Domvorplatz, ©ChristianSchaller

Frauentorstraße 1
86152 Augsburg


Platz dauerhaft frei zugänglich,
Dom täglich geöffnet von 7:00 bis 18:00 Uhr,
während der Gottesdienste ist keine Besichtigung möglich, Eintritt frei

Verwendete Literatur
  • Häußler, Franz: Die Kaisermeile. Augsburgs Prachtstraße von St. Ulrich zum Dom. Augsburg 2000 (Das kleine Augsburg-Album, Bd. 1).
  • Lutz, Werner: Augsburg. Projekt zur Errichtung eines Kriegergedächtnismals vor dem Dom, 1927-1931. In: Nerdinger, Winfried (Hg.): Thomas Wechs 1893-1970. Architekt der Moderne in Schwaben (= Schriften des Architekturmuseums Schwaben, Bd. 6). Berlin 2005, S. 162-164.
  • Nagler, Gregor: Domvorplatz Süd. In: Arno Buchegger Stiftung (Hg.): Werkschau Hans Engel. Augsburg 2016, S. 18.

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