Kulturgeschichten der Wiener Wäschermädel
von Thomas Stiegler
Die Wiener Wäschermädel müssen ein lustiges Völkchen gewesen sein – lebendig, quirlig und nie um eine freche Antwort verlegen. Jedenfalls ist das das Bild, das wir auch nach mehr als hundert Jahren von ihnen haben und für das sie ihre Zeitgenossen liebten.
Man lese nur einmal nach, wie sie Vincenz Chiavacci in seinen Skizzen aus Wien beschrieb: „Die Hantierung mit dem Seifenschaum scheint auch eine regenerirende Kraft auf Herz und Gemüth, sowie auf das körperliche Wohlbefinden auszuüben. Woher kämen sonst die vielen drallen, kerngesunden Mädchengestalten mit dem lauten ›Hamur‹ und dem geschliffenen ›Göscherl‹?“
Heute sind diese „Mädels“ natürlich schon lange aus dem Stadtbild Wiens verschwunden. Es gibt nur noch ein paar alte Bilder, auf denen sie uns in ihrer charakteristischen Tracht entgegentreten, mit dem nach hinten gebundenen Kopftuch und der Wäschekraxe auf dem Rücken, von der seitlich die Kleider hingen.
„Wenn diese schaumentstiegenen ›Venussinnen‹ mit der Butte voll schneeweißer, schön geplätteter Waare durch die Straßen steigen, mit blitzenden Augen, das kastanienbraune Haar mit kecken ›Sechsern‹ geziert, das knappe Röckchen bis unter die Kniee, das tadellose Bein mit einem netten Chaussure bekleidet; da sieht man es ihrem ganzen Gehaben an, daß sie sich ihres Werthes bewußt sind, und die kecken Blicke der jungen Herrenwelt werden von ihnen mit trotzigem, kampfbereiten Lächeln parirt. Wehe dem Verwegenen, der ein freches Wörtlein, eine kühne Zudringlichkeit wagt; eine Fluth von ausgesuchten Kosenamen, die in keinem Lexikon zu finden sind, ist sein Lohn; jedes Wort ein englisches Federmesser.“
Doch hinter diesem bewusst lancierten Bild des „Wiener Wäschermädel“ als Inbegriff von Lebenslust und Mutterwitz stand eine raue Wirklichkeit, die grausam und gemein und voller Härten war.
Denn sommers wie winters mussten sie lange vor Sonnenaufgang mit ihrer Arbeit beginnen. Bis zu sechzehn Stunden standen sie dann in den dämmrigen Waschküchen, bereit, die Wäsche zu sortieren, einzuseifen, zu walken und zu klopfen und sie zu guter Letzt noch aufzuhängen und zu plätten.
Und der Lohn dafür waren ein paar Groschen, die kaum zum Überleben reichten.
Aber trotzdem, trotz all dieser Strapazen und allem Unbill, schien es ihnen irgendwie gelungen zu sein, ihr fröhliches Wesen zu behalten. Vielleicht war das auch einfache ihre Art, mit diesem schweren Leben fertig zu werden, aber auf jeden Fall waren sie dafür bekannt und im Laufe der Zeit entwickelte sich daraus fast so etwas wie eine eigenständige Kultur.
Auch ihre kleinen Freuden und Feste, besonders die Wäschermädelbälle, wurden bald zu einer stadtbekannten Attraktion, zu der die braven Bürger genauso strebten wie die Söhne des alten Wiener Adels.
Aber im Zuge der Industrialisierung und der Verbreitung der Waschmaschine mussten schließlich auch sie dem Fortschritt weichen und das einzige, das heute noch an sie erinnert, sind ein paar alte Bilder, ein paar Anekdoten und eine wunderbare Süßspeise, die ihren Namen trägt.

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Rezept:
8 Marillen
20 g Staubzucker
60 ml Marillenlikör
80 g Marzipan
1/4 l Weißwein
250 g Mehl
3 Eier
2 El Öl
abgeriebene Schale von 1/2 Zitrone
10 g Zucker
Stärkemehl
Staubzucker
Salz
Die Marillen waschen, mit kochendem Wasser übergießen und in Eiswasser abschrecken. Auf der
Seite mit dem Stielansatz einschneiden und den Kern entfernen.
Likör und Staubzucker vermischen, die Marillen einlegen und 15 Minuten ziehen lassen.
Aus dem Marzipan kleine Kugeln formen und sie anstelle der Kerne in die Marillen legen.
Für den Backteig die Eier trennen. Mehl, Wein, Öl, Eidotter, Zitronenschale und 1 Prise Salz zu einem
glatten Teig verrühren.
Das Eiweiß mit dem Zucker zu steifem Schnee schlagen und unter den Teig heben.
Die gefüllten Marillen in Stärkemehl wenden, in den Backteig tauchen und in heißem Fett goldbraun
backen.
Auf Küchenpapier abtropfen lassen und vor dem Servieren mit Staubzucker bestreuen.

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Verwendete Literatur
Zedlers Universallexikon aller Wissenschaften und Künste,
Johann Heinrich Zedler, 1731 Ein new Kochbuch, Marx Rumpolt, 1581
Chronik bildschöner Backwerke, Irene Krauß, Stuttgart 1999
Franz Maier-Bruck, auf der Website: Kulinarisches Erbe Österreich
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