Die Thüringer Rostbratwurst

von Christian Bürger

Die Thüringer Rostbratwurst.

Eine kulturgeschichtlich-volkskundliche Betrachtung.

Die Thüringer Bratwurst als Nationalgericht

Thüringen kennt drei im ganzen Land bekannte Nationalgerichte. Den Thüringer Blechkuchen, den Thüringer Kloß und die Thüringer Rostbratwurst. Wahrscheinlich ist der Kuchen das älteste Gericht, der Kloß, der auf Kartoffeln basiert, ist hingegen die jüngste Speise. Erst 1757 wurde der Kartoffelanbau (für die menschliche Ernährung) im heutigen Thüringen verordnet, doch bereits um 1800 war die Kartoffel fest etabliert.

Das erste Rezept für Thüringer Klöße findet sich in der „Topografie des Pfarrspiels Effelder (1808-1814)“ des evangelischen Pfarrers Timotheus Heym. Klöße werden übrigens auch in Sachsen und Franken gegessen und Bratwürste haben die Thüringer und die Franken gemein, auch wenn diese sich optisch und geschmacklich unterscheiden. Nicht selten wird die Rostbratwurst zum Gegenstand volkskundlicher Grundsatzdebatten unter Laien, wer sie denn erfunden habe und welche wohl die köstlichere sei.

Insbesondere letztere Frage lässt sich nicht objektiv beantworten. In diesem Beitrag soll die historische Entwicklung der Thüringer Nationalspeise nachgezeichnet und die kulturelle Bedeutung für den Thüringer Raum beschrieben werden. Die historische Betrachtung beginnt zunächst mit dem Mittalter und dessen Fleischkonsum.

Essen und Fleischkonsum im Mittelalter.

Wohl kaum eine Epoche der Geschichte ist in den Vorstellungen der Gegenwart so eng mit Klischees und falschen Annahmen verbunden wie das Mittelalter. Unter den Schlagworten finsteres Mittelalter oder sagenhaftes Mittelalter kann sich nahezu jeder etwas vorstellen. Dabei wird die Epoche entweder romantisch verklärt oder übertrieben dramatisiert, was beides nicht zutreffend ist, denn niemals sind die Dinge nur schwarz oder weiß.

Mittelaltermarkt, ©surkovdimitri

Über die Esskultur des Mittelalters existieren demzufolge ebenso eine ganze Reihe falscher Vorstellungen. Die romantische Vorstellung von reichem Fleischkonsum und Rittertafelfreuden, wie sie die moderne Gesellschaft auf Mittelaltervolksfesten oder bei „Ritteressen“ kultiviert, ist gerade in Bezug auf die breite mittelalterliche Bevölkerungsmehrheit eine Fehlannahme.

Das Mittelalter war eine fleischarme Zeit. Üppigen Fleischkonsum konnten sich nur die ersten beiden Stände (Adel und Klerus) leisten.

Der dritte Stand, der „gemeine Mann“, aß selten Fleisch und wenn er es dann doch tat, auch nur selten in Form von frisch gebratenem Stückfleisch. Die Nahrung der einfachen Bevölkerungsschichten im heutigen Deutschland bestand vorwiegend aus Getreidebrei, dunklem groben Brot, regionalem Gemüse, Suppe und seltener besserem Brei aus Hirse. Weizenprodukte waren teuer und wurden von den einfachen Menschen deswegen gewöhnlich nicht verzehrt. Sie waren eine Adelsspeise.

Frischfleisch war meist nur in den Schlachtmonaten November und Dezember verfügbar. In diesen Monaten war das Schlachten aufgrund der in der Regel kühlen Witterung eine hygienisch relativ sichere Sache. Jedoch musste das Schlachten auch den Fleischkonsum des gesamten Folgejahres decken können. Das Räuchern, das Einpökeln, die Produktion von haltbaren Würsten oder das Dörren von Fleisch waren daher die Methoden der Wahl, um möglichst langfristigen Fleischkonsum über das Jahr hinweg zu sichern. Hieran kann man aber erahnen, dass der Schweinefleischkonsum auch so nur selten möglich war. Ferner sollte man nicht unterschätzen, dass es bis zu 230 Fastentage im Jahr gab, an welchen keinerlei Fleisch verzehrt werden durfte.

In den Städten des Mittelalters wurden ebenfalls Schlachttiere, vor allem Schweine, gehalten, beziehungsweise es wurden Tiere vom Land in die Stadt getrieben, verkauft, geschlachtet und verarbeitet. Wer sich welche Art und Fleisch leisten konnte, hing stark von der wirtschaftlichen Stellung der Personen ab. Als Fleisch galt, neben dem Muskelfleisch, auch der Speck, die Extremitäten und besonders die Innereien. Letztere wurden mithin als Festtagsessen des gemeinen Mannes verzehrt oder in Würsten verarbeitet.

Würste boten auch ärmeren Schichten von Zeit zu Zeit ein erschwingliches Format, um Fleisch zu konsumieren. Würste wurden, wie auch das meiste übrige Fleisch, eher gekocht bzw. gesiedet und nur selten wurde es gebraten. Gebratenes Fleisch war eher ein Essen der Oberschicht, nicht der einfachen Bevölkerung. Man darf also davon ausgehen, dass gewürzte Würste für große Teile der Bevölkerung eher ein Festtags- bzw. Ausnahmeessen waren denn, wie in der Gegenwart, ein Alltagsimbiss.

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Bratwurst vor der Thüringer Rostbratwurst

Das erste Mal wird eine Bratwurst in der Antike erwähnt. Für das 12. Jahrhundert ist eine Bratwurstbude in Regensburg überliefert. In Nürnberg wurde die erste Garküche, die Bratwürste anbot, im 14. Jahrhundert erwähnt. Das Nürnberger Satzungsbuch legt Anfang des 14. Jahrhunderts fest, dass nur Muskelfleisch von Schweinen für die Nürnberger Rostbratwurst verwendet werden darf.

Die Thüringer Bratwurst im Mittelalter

Lange Zeit glaubte man, dass die erste urkundliche Erwähnung der Thüringer Rostbratwurst aus der frühen Neuzeit stammt. Doch im Jahr 2000 wurde ein urkundlicher Nachweis aus dem Spätmittelalter aufgefunden. Der Arnstädter Lokalhistoriker Peter Unger fand bei seinen Recherchen im Thüringer Staatsarchiv Rudolstadt in den Rechnungsbüchern des Arnstädter Jungfrauenklosters einen Eintrag vom 20. Januar 1404, welcher lautete: „1 gr vor darme czu bratwurstin“ – hochdeutsch: Ein Groschen für Därme für Bratwürste. Die Mönche verausgabten also einen Groschen für Därme (wohl Schweinedärme, denn Rinderdärme galten als ungeeignet) zur Herstellung von Bratwürsten.

Dass es sich zweifellos um die erste, bisher aufgefundene gesicherte urkundliche Erwähnung von Thüringer Bratwürsten handelt, ist auch aufgrund der Tatsache unzweifelhaft, als das Arnstadt unstrittig zum Kernland des Thüringer Kulturraums gehört. Das muss deshalb erwähnt werden, weil es strittig ist, ob der südthüringer Raum (südlich des Rennsteigs) nicht eher überwiegend fränkischer Kulturraum ist.

Rostbratwurst, © Monsterkoi

Ähnlich verhält es sich mit dem Eichsfeld und dem Altenburger Land, die von einigen Volkskundlern nicht explizit dem Thüringer Kernkulturkreis zugerechnet werden, obgleich sie heute politisch dem Bundesland Thüringen angehörig sind und über enge historische Verflechtungen mit dem Kernland verfügen.

Der Thüringer Volkskundler Martin Wähler konnte, gemäß zeitgenössischem Forschungsstand, die erste gesicherte urkundliche Erwähnung der Thüringer Rostbratwurst 1940 erst auf dem 02. Juli 1613 legen. Die „Sachsen-Weimarischen Artikel und Ordnung für das Fleischer-Handwerk zu Weimar, Jena und Buttstedt“ enthält in § 25 das erste überlieferte Rezept für Thüringer Bratwurst. Bis zum Auffinden der Arnstädter Klosterrechnungen im Jahr 2000 blieb dies der früheste Nachweis. Das erste gedruckte Rezept für Thüringer Rostbratwurst wurde wiederum 1797 im „Thüringisch-Erfurtschen Kochbuch“ veröffentlicht. Die Coburger Bratwurst (Coburg gehörte politisch bis 1920 zum Thüringer Einflussbereich) wurde 1498 erstmals urkundlich erwähnt. Diese werden jedoch nicht wie die Thüringer Rostbratwürste über Holzkohle gebraten, sondern auf Kiefernzapfen.

Die Bratwurst muss in Thüringen bereits vor 1404 bekannt und verbreitet gewesen sein und wahrscheinlich ist sie relativ zeitgleich in Franken und Thüringen aufgekommen. Urkundlich lässt sich das jedoch nicht belegen und es bleibt daher abzuwarten, ob die Forschung in der Zukunft ältere Belege auffinden oder entsprechende Anhaltspunkte herausarbeiten kann.

Dass die Rostbratwurst auch für den „gemeinen Mann“ des Thüringer Mittelalters ab und an erschwinglich war, lässt sich festhalten. Für die Allerärmsten blieb jedoch auch sie ein unerschwinglicher Luxus. Dies kann man schon an der Tatsache ablesen, dass die Bratwurst aus guten Fleischbestandteilen (wie etwa Muskelfleisch) gefertigt war und mit kostbaren Gewürzen versehen wurde.

Die Tatsache, dass die gefundenen Quellen aus der Zeit vor 1700 Verwaltungsquellen der Geistlichkeit und der Obrigkeit sind macht es schwierig, das Verhältnis des „gemeinen Mannes“ zur Bratwurst im Detail nachzuvollziehen. Dies hat natürlich damit zu tun, dass im Mittelalter der Großteil der Gesellschaft nicht alphabetisiert war (volkstümliches Wissen wurde mündlich tradiert). Die schriftkundige Elite, die die Minderheit der Gesellschaft darstellte, hinterließ die übergroße Mehrheit der schriftlichen Quellen, die meist ihre Sicht der Dinge ausdrücken.

Auch in der frühen Neuzeit, als im evangelischen Teil des heutigen Deutschlands die Alphabetisierung voranschritt, sind Zeugnisse über alltägliche Dinge aus der Sicht der einfachen Menschen, eher rar, weil alltägliche Dinge meist nicht aufgeschrieben wurden. Sie galten als selbstverständlich und in der Regel wurde nur etwas über diese verschriftlicht, wenn bestimmte Anlässe (z. B.: Fehden, Verlust, besondere Umstände) dies notwendig machten.

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Die Thüringer Rostbratwurst in der neueren Geschichte

Zwischen dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit lässt sich eine Kontinuität in der Nahrungsmittelversorgung und im Essverhalten der Menschen feststellen. Bis zum Ende der frühen Neuzeit (um 1800) blieb Fleischessen ein Zeichen von Wohlstand und dessen regelmäßiger Konsum grundsätzlich ein Vorrecht der Wohlhabenden. Dies blieb in Thüringen, im Wesentlichen, auch im 19. und in der ersten Hälfe des 20. Jahrhundert so, besonders auf dem Land und in den ärmeren städtischen Schichten. Einmal pro Woche, sonntags Klöße und Fleisch essen zu können galt bereits als Zeichen von bescheidenem Wohlstand.

Rostbratwurst, © fotek

Der Verzehr von Bratwürsten blieb vor diesem Hintergrund, für weite Teile der Bevölkerung bis weit in das 19. Jahrhundert hinein eine Ausnahme. Das Bürgertum und die besitzende Bauernschaft hingegen konnten sich den Verzehr von Bratwürsten etwas regelmäßiger leisten. So wurde ab der Biedermeierzeit das Bratwurstbraten an Ausflugsgaststätten zum beliebten Ziel der familiären Sonntagsspaziergänge.

Auch auf Volksfesten und zu Markttagen wurde das Bratwurstbraten üblich. Der sogenannte „Thüringer Weihrauch“, also der Geruch von auf dem Holzkohlgrill gebratenen Rostbratwürsten, die ab und an mit Bier abgelöscht werden, wurde für die Thüringer Volksfestkultur charakteristisch. Ab der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts etablierte sich, regional unterschiedlich ausgeprägt, auch der Freitag als Bratwursttag. Freitags erhielten die Arbeiter*innen in den Städten ihren Wochenlohn in bar ausgezahlt.

Die Metzger passten ihr Angebot an Bratwürsten der Verfügbarkeit von Geld in den proletarischen Familien an und boten entsprechend zum Feierabend des Zahltags die Rostbratwurst feil. Zum Alltagsimbiss ist die Thüringer Bratwurst erst nach dem Zweiten Weltkrieg geworden, wobei sie ihre besondere Bedeutung als Festtagsspeise an Feiertagen in der warmen Jahreszeit, zu Geburtstagen, Polterabenden, weiteren Familienfeiern und auf Kirchweihweihfesten („Kirmes“, „Körmse“, „Kerwa“ etc.) und Volksfesten nicht eingebüßt hat.

Die Thüringer Bratwurst in der Sage

Dass die Thüringer Rostbratwurst im volkstümlichen kollektiven Gedächtnis früh einen festen Platz erhalten hat, ungeachtet ihres wirklichen Alters, lässt sich an ihrem Eingang in Sagen und volkstümliche Erzählungen ablesen. Populär geworden (und dem Verfasser dieses Beitrags seit Kindertagen bekannt), ist die Sage vom „Letzten Schwein der Stadtilmer“. Stadtilm liegt im Tal der Ilm, ca. 25 km südlich von Erfurt und wurde als Stadt 1268 erstmals urkundlich erwähnt. Seit dem 14. Jahrhundert und bis 1918 gehörte die Stadt zur sogenannten Oberherrschaft der Grafen von Schwarzburg, seit 1599 zur Grafschaft Schwarzburg-Rudolstadt, deren Landesherrn 1710 in den Reichsfürstenstand erhoben wurden. Noch heute sind Teile der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Wehranlagen um den Kern der Altstadt erhalten. Eben dort soll sich in der Mitte des 15. Jahrhunderts die Sage vom „Letzten Schwein der Stadtilmer“ haben, die in einigen Varianten verbreitet ist. Eine lautet, wie folgt.

Im sächsischen Bruderkrieg/Schwarzburger Hauskrieg wurde Stadtilm belagert. Als die Stadtgemeinde die Übergabe ihrer Stadt verweigerte, verlegten sich die sächsischen Truppen auf die Belagerung und das Aushungern der Stadt. Diese Taktik zeigte, zum Leidwesen der Stadtilmer*innen, grundsätzlich Erfolg. Die Vorräte hielten zwar noch eine Weile, aber irgendwann waren sie aufgezehrt und es blieb nur noch ein lebendes Schwein übrig. Da scheinbar nichts mehr zu verlieren war, ersann ein/e Bewohner*in Stadtilms eine List. Man sollte das Schwein schlachten, auf den Stadtmauern ein Schlachtfest feiern und Bratwürste braten, um so die Sachsen in der irrigen Annahme zu belassen, dass man noch umfangreiche Vorräte besitzen würde. Und so geschah es.

Die sächsischen Soldaten, die selbst nicht gut versorgt wurden und unter Hunger und Krankheit litten, sollen beim Anblick des scheinbaren Überflusses derart demoralisiert worden sein, dass sie sich der Fortsetzung der Belagerung verweigerten. Auch die von den Stadtmauern durch die Stadtilmer*innen herabgeworfenen Bratwürste nahmen sie begierig zu sich. Der Überlieferung nach sollen auch die Befehlshaber so beeindruckt gewesen sein, dass die Belagerung abgebrochen wurde und das Heer abzog. So sollen das Stadtilmer Schwein und die aus ihm gefertigten Bratwürste die Stadt Stadtilm vor der Eroberung geschützt haben.

Soweit die Überlieferung. Die Sage ist in der Stadt und der Region derart populär, dass sie von vielen noch immer als historische Wahrheit angesehen wird. Im Jahr 2019 widmete ihr die Stadt Stadtilm sogar ein Denkmal in Form eines Schweins, welches an einem erhaltenen Teil der Stadtmauer, in unmittelbarer Nähe zum Rathaus und zum mittelalterlichen Zinsboden, aufgestellt wurde.

Rathaus Stadtilm, CC2.0; © magro_kr; https://www.flickr.com/photos/iks_berto/27964266058/

Die historische Faktenprüfung offenbart, dass Stadtilm im sächsischen Bruderkrieg wirklich von feindlichen Truppenbewegungen berührt wurde. Ferner stimmt es, dass die Stadt nicht erobert wurde. Belege für das legendäre Schlachtfest fehlen jedoch. Die sagenhafte Rettung der schwarzburgischen Stadt durch Thüringer Bratwürste, lässt sich also wissenschaftlich nicht nachweisen. Aber die Volkssage ist ein Beleg für die bedeutende Stellung, die die Rostbratwurst in der Volkskultur und im kulturellen Gedächtnis der Thüringer*innen einnimmt.

Das Mittelalter ist die Zeit der Sagen. Das hängt nicht nur mit einer Vorliebe für legendäre Stoffe zusammen, sondern hat ganz praktische Gründe. Wie schon erwähnt war das Mittelalter größtenteils eine illiterate Zeit. Die Zahlen und Schätzungen, die in der Literatur auftauchen, schwanken, aber der Verfasser hält es für plausibel, dass etwa 80-90 % der Menschen des späten Mittelalters nicht oder nur unzureichend lesen und schreiben konnten. Merktechniken, um die mündliche Überlieferung gut bewahren zu können, hatten ebenso große Bedeutung, wie anschauliche Erzählungen, die das Merken von Begebenheiten erleichterten. Es ist nicht auszuschließen, dass die mündliche Tradierung von Begebenheiten ausgeziert wurde, um sie leichter merkbar und zur besseren Weitergabe geeignet zu machen oder, das ist die andere Möglichkeit, dass sie durch das ständige mündliche Weitersagen im Laufe der Zeit ausgeziert wurde.

Wie dem auch sei, die historische Wahrheit wird sich, nach der derzeitigen Quellenlage, nicht mehr rekonstruieren lassen. Es bleibt die Feststellung, dass die Rostbratwurst als Kulturgut Teil des kulturellen Thüringer Gedächtnisses wurde und so auch eine Rolle in den volkstümlichen Erzählungen erlangte.

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Schlussbetrachtung

Die Thüringer Rostbratwurst ist an sich ein Oberbegriff. Jede Region Thüringens hat ihre besondere eigene Machart und Rezeptur für den Fleischartikel. Gerade die Würzung und die Zugabe von Kümmel wird in der Gegenwart regional kontrovers diskutiert. Auch der Name der Rostbratwurst, der in unterschiedlicher regionaler Ausprägung von den Sonneberger „Brodewerscht“, über die ostthüringer „Roster“ bis hin zur zentralthüringischen „Bradworscht“ reicht, ist Ausdruck dieser Pluralität. Die Bratwurst ist vielleicht genau deswegen auch so identitätsstiftend für Thüringen, weil auch Thüringen nie einheitlich, sondern immer vielfältig war und ist.

Neun verschiedene Grunddialekte und sich, teilweise, von Ort zu Ort unterscheidende Mundarten, das Zusammentreffen thüringischer, fränkischer und sächsischer Kultureinflüsse und das Bewusstsein, dass das Land bis 1920 aus vielen selbstständigen Kleinstaaten bestand, prägen das Land auch in der Gegenwart. Ein Bundesland, in Vielfalt zwar geeint, aber mit Bewohner*innen, die sehr auf ihre Eigenheiten und Unterschiede bedacht sind. Dies ist weder im fränkisch geprägten Südthüringen, im katholischen Eichsfeld, noch in den übrigen Landesteilen anders.

Vielleicht ist deshalb, bei all der Vielfalt, der gemeinsame Bezug zum Essen umso bedeutsamer. Dies wird umso deutlicher, als dass eingeborene Thüringer*innen bestreiten würden, dass Bratwürste in Thüringen gegrillt werden. Sie werden nämlich auf dem Rost „gebraten“. Das ist prinzipiell dasselbe, aber die Betonung des regionalen Sprachgebrauchs ist doch als Ausdruck der Hervorhebung eines gewissen Regionalstolzes und des Wunsches, die regionale Eigenheit zu unterstreichen, zu bewerten.

Essen, wie der Volksmund sagt, hält nicht nur Leib und Seele zusammen, sondern, so die These des Autors, auch eine in sich eigentlich heterogene Bevölkerung. Damit ist die Bratwurst in Thüringen auch ein Identifikationsmerkmal.

Kulturwissenschaftliche Betrachtungen in der Theorie bleiben immer unvollständig, wenn es um regionale kulinarische Besonderheiten geht, die noch in der Gegenwart nachzuvollziehen sind. Es ist daher für Leser*innen dieses Beitrags unbedingt erforderlich, sich einmal empirisch vor Ort mit der Thüringer Bratwurst auseinanderzusetzen und diese im Rahmen einer Thüringen-Reise zu studieren und zu genießen. Erst dann, wird die fachliche Auseinandersetzung vervollständigt.

Zur Weiteren Themenvertiefung

Zur weiteren Beschäftigung mit der Thüringer Kulinarik und Volkskunde empfiehlt der Verfasser die Schriften der Volkskundlichen Beratungsstelle Thüringen und das Werk über die Thüringische Volkskunde von Martin Wähler (1940), welche noch heute als Standardwerk gilt. Ferner sind ein Besuch im Thüringer Bratwurstmuseum Mühlhausen und insbesondere im Museum für Thüringer Volkskunde Erfurt, im Thüringern Freilichtmuseum Hohenfelden und im Hennebergischen Landesmuseum Kloster Veßra empfohlen.

Verwendete Literatur

Literatur

 

John, Jürgen/Jonscher, Reinhard/Stelzner, Axel: Geschichte in Daten. Thüringen. Berlin/München 1995.

Schubert, Ernst: Alltag im Mittelalter. Natürliches Lebensumfeld und menschliches Miteinander. Darmstadt 2002.

Schubert, Ernst: Essen und Trinken im Mittelalter. Darmstadt ²2010.

Van Dülmen, Richard: Kultur und Alltag in der frühen Neuzeit. Erster Band. Das Haus und seine Menschen. 16.-18. Jahrhundert. München 1990.

Wähler, Martin: Thüringische Volkskunde. Jena 1940.

 

Onlinequellen

 

  1. N.: Die Belagerung Stadtilms während des Schwarzburgischen Hauskrieges. In: Stadt Stadtilm (Hg.): Geschichte Stadtilms [Webblog], 20. August 2019. (http://geschichte.stadtilm.com/die-belagerung-stadtilms-waehrend-des-schwarzburger-bruderkrieges/, letzter Aufruf: 13.02.2021).
  2. N.: Geschichte der Bratwurst: Neue historische Quelle ruft Streit zwischen Thüringern und Franken hervor. In: Der Tagesspiegel, 16.07.2000 (Online). (https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/geschichte-der-bratwurst-neue-historische-quelle-ruft-streit-zwischen-thueringern-und-franken-hervor/153812.html, letzter Aufruf: 13.02.2021).
  3. N.: Geschichte der Bratwurst. (https://www.bratwurstmuseum.de/geschichte.html, letzter Abruf 13.02.2021).

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