Eine Einführung in die Geschichte der Stadt Athen
von Christian Schaller
Eine Einführung in die Geschichte der Stadt Athen
von Christian Schaller
Athen ist heute das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum Griechenlands. Doch nicht nur in der Gegenwart ist die attische Metropole das kräftig pulsierende Herz des Landes. Ihre Geschichte reicht weit zurück, bis in das Altertum. Bis heute definiert sich Athen über sein antikes Erbe – allem voran über die Akropolis, die geradezu zeitlos über der Stadt thront.
Seit der Jungsteinzeit siedelten hier die Menschen, inmitten der fruchtbaren Ebene, umgeben von Bergen und nur einen Steinwurf vom glitzernden Meer entfernt. Doch die engere Siedlungsgeschichte Athens begann erst in der mykenischen Bronzezeit. Im zweiten Jahrtausend vor Christus gehörte die attische Halbinsel zum Einflussbereich der Mykener, deren Herzland weiter im Südwesten, auf der heutigen Peleponnes, zu verorten ist. Um 1300 vor Christus wurde auf der Akropolis ein mykenischer Palast errichtet. Bereits damals schien der Ort also der Sitz eines Kleinkönigs gewesen zu sein, der ganz Attika beherrschte.
Nach dem Ende der Bronzezeit und den Dunklen Jahrhunderten entwickelte sich Athen dann rasch zur mächtigsten Polis, also einem Stadtstaat im antiken Griechenland. Generationen der politischen und sozialen Spannungen in der Stadt führten schließlich zu Reformen und einem Prozess der Demokratisierung, der schließlich in der Attischen Demokratie mündete, die sich im fünften Jahrhundert vor Christus voll ausformte. Den Zeitgenossen nach war sie ausschlaggebend für die Blüte und Macht ihrer Heimat. Zwar existierte hier noch keine Gewaltenteilung, wohl aber wurde einem Teil der Bevölkerung, nämlich den männlichen und freien Vollbürgern, erlaubt, sich politisch zu beteiligen. Somit war eine Vorform der Volkssouveränität verwirklicht. Gleichzeitig tat sich Athen jedoch auch als eine treibende Kraft der Perserkriege hervor, in denen zwischen 499 bis 479 das Perserreich im östlichen Mittelmeerraum mit mehreren Vorstößen versuchte, Festlandgriechenland zu unterwerfen. Die griechischen Städte siegten letztendlich und weitere Eroberungen blieben aus.
Im Jahr 477 vor Christus wurde der Attische Seebund ins Leben gerufen, um weiteren Angriffen besser begegnen zu können. Athen übernahm die Führung über den Bund und damit zahlreiche griechische Städte. In den folgenden Jahrzehnten war die Stadt damit nicht nur eine Art Hegemonie, sondern etablierte sich auch rasch als größte und prachtvollste Stadt der Ägäis und darüber hinaus. Wirtschaft und Kultur erblühten in nie gekanntem Maße – bis heute für jeden sichtbar anhand der zeitlosen Prachtbauten auf der berühmten Akropolis. Athen war eine Stadt der Künste und Wissenschaften, vor allem aber auch der Philosophie.
© Christian Schaller
Doch der politische Stern Athens sollte schon bald wieder sinken: Vor allem die Auseinandersetzungen mit dem großen Konkurrenten Sparta und die Niederlage im Peleponnesischen Krieg waren ein herber Schlag. Im vierten und dritten Jahrhundert vor Christus war Athen immer noch eine pulsierende Metropole, die fortwährenden Kämpfe zwischen den griechischen Städten beeinträchtigten aber die einstige Souveränität. Im Zeitalter der Diadochenreiche, also der Nachfolger Alexanders des Großen, wurde die Stadt umso mehr zu einem Zankapfel. Bis 229 vor Christus gehörte Athen zu Makedonien und war danach auch nur nominell eine freie Stadt. Die Zeit der politischen Autonomie war de facto vorüber. Dennoch hatte Athen seine Strahlkraft nicht verloren: Die Diadochen beschenkten die Stadt immer wieder und stifteten wichtige Repräsentationsbauten.
Derweil erwuchs im Westen eine weitere Macht. Das Römische Reich streckte immer mehr seine Finger in den östlichen Mittelmeerraum aus. Im Krieg zwischen Rom und Makedonien schlug sich Athen auf die römische Seite. Spätestens ab 146 vor Christus befand sich Athen dann unter der Hegemonie des römischen Senats. Die direkte Herrschaft sollte jedoch noch einmal hundert Jahre auf sich warten lassen: Erst 27 vor Christus, unter dem ersten römischen Kaiser Augustus, wurde Achaea endgültig offiziell als Provinz des Imperiums eingerichtet. Immer noch galt Athen als freie Stadt und wurde auch vom Senat und später den Kaisern bis in die Spätantike hinein umfassend gefördert. Denn auch nach fast 1000 Jahren galt Athen immer noch als wirkmächtige Metropole der Bildung und Kultur, des Theaters und der Philosophie.
So befahl noch Augustus den Bau der Römischen Agora, währen Kaiser Hadrian im zweiten Jahrhundert die bis heute berühmte Hadriansbibliothek stiftete und den Tempel des olympischen Zeus vollendete. Reiche Römer beschenkten und besuchten die Stadt. Neben der geistigen Bedeutung war Athen auch immer noch ein ökonomisch florierender Ort. Mit dem Aufstieg des Christentums wurde die geistige Offenheit, allen voran die Strömung des Neuplatonismus, jedoch immer skeptischer beäugt. Der oströmische Kaiser Justinian ließ im Jahr 529 schließlich alle Philosophenschulen schließen, da sie als Brutstätte des Heidentums galten.
Um 582 wurde die Stadt schwer von einfallenden Awaren und Slawen zerstört. Die Bevölkerung schrumpfte und konzentrierte sich fortan auf einen viel kleineren Bereich am Fuß der Akropolis. Ähnlich wie im frühmittelalterlichen Rom lebten auch die Athener jahrhundertelang in den zerfallenden Ruinen der Antike. Griechenland gehörte seit der Reichsteilung von 395 zum oströmisch-byzantinischen Reich, das von Konstantinopel aus regiert wurde. Erst während des Vierten Kreuzzuges von 1204 wurde die Gegend um Athen von Byzanz abgeschlagen und als ein fränkisches Herzogtum eingerichtet.
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In den folgenden zwei Jahrhunderten wurde es von verschiedenen Adelsfamilien regiert und für kurze Zeit auch von Byzanz zurückerobert, ehe die Osmanen um das Jahr 1456 anrückten. Diese hatten nur drei Jahre zuvor die alte Kaiserstadt Konstantinopel erobert und zu ihrer neuen Hauptstadt erkoren. Der letzte Herzog der Region verschanzte sich auf der Athener Akropolis und ergab sich erst nach zweijähriger Belagerung im Jahr 1458. Der Stadt Athen wurden daraufhin Privilegien gewährt, so blieb sie etwa Bischofssitz und auch die Christen durften sich weiterhin selbst verwalten. Athen war nun bis in das 19. Jahrhundert hinein ein Teil des Osmanischen Reiches.
Mit etwa 10.000 Einwohner war die Stadt zwar bei weitem keine Metropole mehr, jedoch noch immer ein lokales Oberzentrum. Ein einschneidendes Ereignis während der frühen Neuzeit stellte sicherlich der Große Türkenkrieg dar, bei dem die Venezianer im Jahr 1687 die Akropolis belagerten. Dabei wurde der Parthenon-Tempel von einer Kanonenkugel getroffen, was zu einer Schwarzpulverexplosion führte, wodurch die Ruinen noch weiter zerstört wurden.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann schließlich die Ära des griechischen Unabhängigkeitskampfes. Athen wurde mehrmals belagert, erobert und erneut weitreichend zerstört. Die Osmanen zogen ab und im Jahr 1832 bildete sich das Königreich Griechenland als wiedervereinter Nationalstaat. Der erste König wurde Otto von Wittelsbach, ein bayerischer Prinz. Er verlegte die Hauptstadt des jungen Landes von Nauplia in das geschichtsträchtige Athen mit seinen berühmten Stätten. Doch das reichte natürlich nicht: Athen wurde noch großflächig und repräsentativ ausgebaut. Neue Wohnviertel und klassizistische Prachtbauten bereicherten das Stadtbild, zudem wurden das Kulturleben und auch die Wirtschaft enorm gefördert. Die Bevölkerung wuchs rasant an, in den 1920er Jahren noch einmal befeuert durch die griechisch-türkischen Kriege und die nachfolgenden Vertreibungen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte auch Athen ein großes Wirtschaftswachstum. Immer häufiger wurde die Stadt jedoch von Smog und langen Staus heimgesucht, zugleich stiegen die Immobilienpreise unaufhörlich. Seit den 1980er Jahren begegnet die griechische Hauptstadt dem mit entsprechenden Maßnahmen. Im Großraum Athen leben heute etwa vier Millionen Einwohner. Damit ist Athen natürlich die größte Stadt Griechenlands und erneut ihr kulturelles wie auch ökonomisches Zentrum – nicht zuletzt dank des größten Flughafens und größten Hafens des Landes.
Literatur:
Sinn, Ulrich: Athen. Geschichte und Archäologie. München 2004.
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