Der Vater und der Sohn
von Majda Schmidt
Man schreibt das Jahr 1713. Der 25-jährige Friedrich Wilhelm I. erbte als erster Hohenzollern-Sohn ein echtes Königreich. Sein Vater Friedrich I., der erste König in Preußen, hinterließ ihm ein weit zersplittertes Land und ein markantes Sommerschloss in Potsdam, samt eines Lustgartens, in dem die Preußische Hofgesellschaft gerne rauschende Feste gefeiert hatte.
Aber Friedrich Wilhelm I. lehnte schon als Kind die opulente Lebensweise seiner Eltern ab. Den letzten Prunk und Glanz erlebte der preußische Hofstaat auf der Begräbnisfeier seines Vaters. Zeitgleich entließ der neue König die Hälfte der königlichen Beamten und reduzierte die Hofausgaben von 225.00 auf 55.000 Taler.
Friedrich Wilhelm I. war einer der fleißigsten Könige der Weltgeschichte und ein guter Ökonom, der die wirtschaftliche Lage von Preußen während seiner Regentschaft enorm verbesserte. Die einzige Passion seines Lebens gehörte dem Aufbau eines starken Militärs. Dabei besaß der Herrscher, der als Soldatenkönig in die Geschichte einging, gar kein Interesse, sich auf dem Schlachtfeld zu beweisen. Nach der Beteiligung an den Pommernfeldzügen 1714 bis 1715 verwickelte er sich in den folgenden 25 Jahren in keine kriegerischen Auseinandersetzungen mehr. Aber das alltägliche Leben und die Bedürfnisse des Staates mussten sich nach dem Militär richten. Jegliche Einrichtungen aus dem Bereich der Kultur und der Kunst betrachtete er als überflüssig. Nur die Wände der Flure, die zu den königlichen Gemächern führten, wurden mit den Gemälden der preußischen Elitesoldaten geschmückt, und zwar in der Lebensgröße.
Als sich Friedrich Wilhelm I. entschloss, seine gesamte Garde in der Residenzstadt Berlin unterzubringen, währten sich die Bewohner gegen die Soldatenunterbringung und der König wählte als Ausweichquartier die Sommerresidenz seines Vaters. Die Ernennung Potsdams zu einer Garnisonstadt brachte der Stadt einen gehörigen Anstieg an der Population. Zu Amtsantritt des Soldatenkönigs lebten in Potsdam 1500 Menschen, bei seinem Ableben im Jahr 1740 schon mehr als 11.000.
Für die Unterbringung und Versorgung der Soldaten wurde eine innovative Lösung gefunden. Zwischen 1722 und 1740 ließ Friedrich Wilhelm I. fast 1000 Häuser bauen, die an die Stadtbewohner verschenkt wurden, und zwar mit der Verpflichtung, seine Grenadiere unterzubringen und zu versorgen. Dieses historische Bad & Breakfast war eine Besonderheit Preußens und bewährte sich für über 100 Jahre.

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Friedrich II., Potsdam Museum – Forum für Kunst und Geschichte / Holger Vonderlind (CC BY-NC-SA); mit freundlicher Genehmigung durch das Museum
Im Jahr 1740 folgte auf den nüchternen Vater ein strahlender Regent, der sich Friedrich II. nannte. Zu seinem Erbe gehörten ein wirtschaftlich gesundes Königreich mit gut 2 Millionen Einwohnern, ein karges Stadtschloss in Potsdam mit dem angeschlossenen Exerzierplatz und eine Armee von über 80.000 Mann. Preußen ist im Stillen zu einer militärischen Macht gewachsen und der Nachfolger des Soldatenkönigs wollte es Europa auch beweisen. Schon drei Monate nach der Thronbesteigung zog Friedrich II. in den 1. Schlesischen Krieg. Bis 1763 folgten zwei weitere erfolgreiche Feldzüge gegen seine europäischen Widersacher, die ihm später den Beinamen „der Große“ einbrachten.
Zu Beginn seiner Herrschaft hatte Friedrich II. für Potsdam nichts viel übrig. Diese spartanisch hergerichtete Stadt erinnerte ihn zu viel an den verhassten Vater, der ihn in den jungen Jahren zur Pflicht und Ordnung geprügelt hatte. Aber schon nach wenigen Regierungsjahren konnte er sich der landschaftlichen Magie der Sommerresidenz seiner Vorgänger nicht mehr entziehen.
Die Gestaltung Potsdams nahm Friedrich II. buchstäblich selbst in die Hand und ließ die Baumeister nach seinen eigenen Vorschlägen und Zeichnungen arbeiten. Die alten Typenhäuser mit den obligatorischen Soldatenstuben verschwanden hinter den prächtigen Fassaden. Die spartanische Garnisonstadt verwandelte sich in eine glanzvolle Residenzstadt.
»Zu meines Vaters Zeiten war es (Potsdam) ein elendes Nest; wenn er jetzt wiederkäme, würde er seine Stadt nicht wiedererkennen, so habe ich sie verschönert. Ich habe die Pläne der schönsten Bauwerke Europas, insbesondere Italiens, ausgewählt und lasse sie im Kleinen und meinen Mitteln entsprechend ausführen. Alle meine Bauwerke gefallen den Leuten, davon werden Sie sich überzeugen können.«
(Friedrich II. im Jahr 1758)
Den Anfang Friedrichs Liebesgeschichte mit Potsdam markierte im Jahr 1744 die Kultivierung einer Anhöhe am Rande der Stadt, die allgemein als „Wüster Berg“ bekannt wurde. Auf sechs Terrassen wurden Weinreben angebaut und Obstbäume gepflanzt. Gekrönt wurde der Ziergarten mit einem einstöckigen Schlossbau im verspielten Rokoko-Stil. Friedrich II lieferte die Pläne selbst und benannte sein Refugium »MA MAISON DE VIGNE« (mein Zuhause am Weinberg). Heute wird sein Ruckzugsort von den Besuchern aus der ganzen Welt als »Schloss Sanssouci« bewundert.
Eigentlich hat sich Friedrich II. viele Träume erfüllt. Er trat aus dem Schatten seines Vaters heraus und verschaffte Preußen eine Machtstellung in Europa. Wenn er den Stadtschloss verließ, führte ihn die Kutschenfahrt durch eine Stadt, die nach seinem Willen die Atmosphäre von Athen und Rom ausstrahlte. Das Leben schenkte ihm 40 lange Jahre, die er in seinem Refugium mit Schreiben, Komponieren, Zeichnen und Debattieren verbringen konnte. Aber trotzdem hat sich der strahlende Philosophenkönig irgendwann in einen verbitterten Alten Fritz verwandelt, der unbemerkt – »beim Schein einer Laterne und ohne dass ihm jemand folgt« – die Welt verlassen wollte.
Friedrich II. konnte den Thron nicht dem eigenen Kind überlassen, das vielleicht seinen letzten Willen respektiert hätte. Die Preußische Kröne ging 1786 auf seinen Neffen über, der den testamentarischen Wunsch seines Onkels nicht standgemäß fand und ließ ihn neben dem unbeliebten Vater beisetzen. Erst nach 205 Jahre ging der letzte Wunsch Friedrichs II. in Erfüllung. Seit 1991 ruht er in der Gruft neben dem Schloss Sanssouci.
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