Das Nassauer Haus in Nürnberg
von Anja Weinberger
Das Nassauer Haus in Nürnberg
von Anja Weinberger
Ein eigenartiges Gebäude steht da schräg gegenüber der Lorenzkirche an der Ecke Karolinen- und Königstraße.
Es wirkt beinahe wie ein zu niedriger Turm – oder vielleicht wie ein übriggebliebenes Burgeck. Was steht da vor uns?
Es handelt sich um das Nassauer Haus, das älteste privat erbaute Gebäude der Stadt und gleichzeitig das älteste noch bestehende Haus der Lorenzer Seite – und es ist der einzige in Nürnberg noch erhaltene Wohnturm von früher mehr als einem Dutzend.
Ja, auch hier in Franken habe die großen Familien versucht, dem oberitalienischen Vorbild nachzueifern.
Ganz anders, als beispielsweise in Regensburg, wo eine große Anzahl frühgotischer und romanischer eher nüchterner Wohntürme erhalten blieb, hat sich das Nürnberger Beispiel im Lauf der Jahrhunderte mit reicher Zierde herausgeputzt.
Das Erdgeschoss und der erste Stock stammen aus dem frühen 13. Jahrhundert oder sogar noch aus der Zeit vor der damaligen Jahrhundertwende – ganz genau weiß man es nicht. Dieser untere Teil des Gebäudes ist aus unbehauenen Steinen errichtet, die Mauern sind stolze eineinhalb Meter stark. Das Kellergeschoss darunter, mit einer Höhe von beinahe viereinhalb Metern beherbergt heute ein Lokal. Es wird von vier unregelmäßigen halbkreisförmigen Tonnen überwölbt, die von massigen Pfeilern gestützt werden. Im 15. Jahrhundert dann wurden ein zweites und ein drittes Stockwerk auf den Bau gesetzt und man bekrönte das Ganze mit einem doppelten Dachgeschoss samt Walmdach. Ein umlaufender Zinnenkranz und drei Wachtürmchen wurden errichtet, die aber wohl weniger der Verteidigung gedient haben dürften, als vielmehr dem aristokratischen Bedürfnis nach Außendarstellung.
Auch am Nassauer Haus finden wir eines der vielen Nürnberger Chörlein.
Kurz nach 1420 ist das fünseitige Chörlein an der Ostseite des zweiten Obergeschosses als Vergrößerung der Hauskapelle angebracht worden. Sehr erzählerische Brüstungsfelder verlaufen unter den drei größeren und zwei sehr schmalen Chorfenstern. Berichtet wird von der Verkündigung und von Jesu Geburt. An den äußeren Schmalseiten sinnieren Propheten und im mittleren Brüstungsfeld ist die Dreifaltigkeit dargestellt im Stile eines Gnadenstuhls.
Das Chörlein wird von einer Laterne bekrönt, die bis zwischen die Fenster des nächsten Geschosses hinauf reicht. Unterhalb stand bis zur Bombardierung direkt an der Hauswand ein kleiner Brunnen.
Die großen Tür- und Fensteröffnungen im Erdgeschoss stammen aus dem 19. Jahrhundert.
Der Engel an der südöstlichen Ecke des zweiten Stockwerks wurde 2006 wieder angebracht. Die ursprüngliche Figur ist mitsamt ihrer Konsole und dem schönen gotischen Baldachin im 2. Weltkrieg untergegangen. Die Altstadtfreunde Nürnberg haben die Rekonstruktion nach alten Fotos und Zeichnungen unterstützt.
Besonders auffällig ist jedoch der Dachbereich des Nassauer Hauses. Zwischen den drei Erkern und unter den Zinnen verläuft ein Fries aus Wappen – einzigartig war das im alten Nürnberg.
Diese oberen Geschosse sind am 2. Januar 1945 ausgebrannt und wurden bis 1954 mit großem Aufwand restauriert.
Hier muss auch darauf hingewiesen werden, dass an dieser Stelle der Stadt deutlich wird, dass Warenhäuser durchaus sensibel in eine gewachsenen Umgebung eingefügt werden können. Das Nassauer Haus steht am Eck einer solchen Bebauung mehrerer Blöcke, die durch ihre kleinteilige Verblendung und die Sandsteinfassade wohltuend auf das alte Stadtbild eingehen.