Geschichte und Geschichten rund um das Münchner Oktoberfest
von Gertrud Teusen
Alle Jahre wieder findet in München das weltberühmte Oktoberfest statt. Wer in der bayerischen Landeshauptstadt wohnt, für den ist es oft mehr Last, denn ein echtes Vergnügen. Zwei Wochen herrscht dann Ausnahmezustand. Allerdings ist das Oktoberfest auch und vor allem ein Stück bayerischer Geschichte.
Wie alles begann …
Die Geschichte des Oktoberfests beginnt mit einer Hochzeit und einem Pferderennen:
Anlässlich der Vermählung des bayerischen Kronprinzen Ludwig (1786-1868) und Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen (1792-1854) feierte das bayerische Königshaus fünf Tage lang ein fulminantes Fest. Vom 12. bis zum 17. Oktober 1810 stand alles im Zeichen dieser Hochzeit. Über 200 Gäste waren von weit her angereist, ein glamouröser Hofball wurde veranstaltet, und auch auf den Straßen feierten die Münchner ausgelassen. In verschiedenen Gasthäusern gab es kostenlose »Brotzeit« mit Schaffleisch, Schweizer Käse, Semmeln, Würsten, Bier und Weißwein.[1]
Die Trauung fand am 12. Oktober 1810 in der St. Michael Kirche statt. Überliefert ist, dass die Braut ein bodenlanges, tief dekolletiertes Empirekleid aus rosa Seiden-Atlas trug. Etwas griesgrämig soll sie dreingeschaut haben, litt sie doch während ihrer Hochzeitsfeierlichkeiten unter entsetzlichen Zahnschmerzen.[2] Zum krönenden Abschluss der Feierlichkeiten am 17.10.1810 sollte es dann ein Pferderennen geben. Die Veranstaltung zu Ehren des Brautpaars wurde vom sogenannten »Bürgermilitär« veranstaltet und auch finanziert. Als Organisator trat der aus Trient stammende Bankier Andreas Michael von Dall’Armi (1765-1842) auf, der auch beim »Bürgermilitär« das Sagen hatte.
Das geplante Vorhaben stellte von Dall’Armi gleich vor mehrere Herausforderungen. Beispielsweise musste er einen Platz finden, an dem solch ein Rennen überhaupt stattfinden konnte. Innerhalb der Stadtmauern gab es dafür keinen Platz, und vor den Toren der Stadt musste es ein Gelände sein, das allen Anforderungen genügte – also Raum für die Rennbahn, Platz für eine königliche Tribüne und eine Anhöhe, von der aus auch das Publikum freie Sicht auf das Geschehen hatte. Von Dall’Armi fand den perfekten Ort: Eine etwa 42 Hektar große Wiese westlich der Stadtmauer.
Diese war nicht weit vom Sendlinger Tor, einem der Stadttore, gelegen. Die Wiese war ideal, weil sie an einer Seite durch eine Anhöhe, den Sendlinger Berg, begrenzt wurde. Auf der Wiese wurde also ein Zelt errichtet, in dem das Brautpaar dem Treiben zu seinen Ehren aus sicherer Entfernung beiwohnen konnte. Als kleines Rahmenprogramm marschierten Mädchen im Dirndl und Burschen in Lederhosen am Prinzenpaar vorbei. Jedes dieser »Kinderpaare« stand für eine der Provinzen des bayerischen Königreichs und trug die jeweilige Tracht
Ein Chor aus Feiertagsschülern brachte dem Paar ein Ständchen. Dann konnte das Rennen beginnen. 30 Pferde waren zum Rennen gemeldet. Die Rennstrecke, die um das Zelt des Königs führte, war so lang wie »11.565 bayerische Schuhe«[3], umgerechnet also dreieinhalb Kilometer. Das Pferd des bürgerlichen Lohnkutschers und Nationalgardisten Franz Baumgartner gewann das Rennen und bekam als Preis 20 Dukaten. Nach der Überlieferung brauchte sein Pferd für die Strecke 18 Minuten und 14 Sekunden. Rund 40.000 Zuschauer verfolgten das Rennen vom Sendlinger Berg aus.[4] Dort oben über der Wiese sorgten die »Traiteure« für den kostenfreien Ausschrank von Bier und Wein. Kein Wunder, dass sich das kaum ein Münchner entgehen ließ.[5]
Und weil die Münchner eben so viel Spaß daran hatten, beschloss die Stadtverwaltung, dieses Spektakel zu wiederholen. Von Dall’Armi schlug vor, die Wiese als Veranstaltungsort beizubehalten und ihr den Namen »Theresenwiese« (zu Ehren der Braut) zu geben. Später wurde aus »Theresenwiese« dann die »Theresienwiese«.[6]
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Die Wiesn bleibt, wo sie ist
In München wird das Areal, auf dem das Oktoberfest stattfindet, auch liebevoll »die Wiesn« genannt. In der Tat war und ist sie elf Monate im Jahr auch nichts anderes als eine Wiese eben. Darauf standen ab und an Kühe oder grasten Pferde. Die Münchner machten Spaziergänge dorthin oder führten ihre Hunde aus.
Im Oktober aber wurde alles für das große Fest hergerichtet. Im Jahr 1811 richtete der »Landwirtschaftliche Verein in Bayern«[7] die Feierlichkeiten aus. Man plante eine bäuerliche Leistungsschau mit Volksfestcharakter. Natürlich gab es auch wieder ein Pferderennen, und für eine kostenlose »Brotzeit« wurde auch gesorgt. Private Geldgeber finanzierten die Veranstaltung, das Königshaus hatte dafür kein Geld übrig. Schon zwei Jahre später, 1813, musste das Oktoberfest zum ersten Mal ausfallen. Die napoleonischen Kriege machten den Veranstaltern einen Strich durch die Rechnung. Doch schon ein Jahr später wurde auf der Wiesn wieder gefeiert.
Zum Oktoberfest 1818 gab es das erste Karussell auf der Theresienwiese, und auch zwei Schaukeln wurden aufgestellt. Die Betreiber der Wirtsbuden veranstalteten zudem Wettbewerbe. Es gab eine Kegelbahn für Erwachsene und Sackhüpfen für die Kinder. Etwas Besonderes war das »Baumklettern«[8]: Dazu wurden hohe, geschälte Baumstämme aufgestellt, an denen sich junge Männer hinauf hangelten. An der Baumspitze hingen Preise, die sich die Burschen abpflücken durften, wenn sie es denn bis ganz nach oben schafften. Die starken Burschen traten im Armdrücken gegeneinander an, lupften Steine in die Höhe oder zeigten beim »Hau den Lukas«, wer der stärkste Mann auf dem Platz war. Auch gab es mehrere Losstände. Die Betreiber warben lautstark mit hochkarätigen Gewinnen und lockten so die Loskäufer an. Aber auch jede Niete war ein Gewinn – nämlich für die Münchner, die nicht so gut betucht waren. Ihnen kam der Erlös zugute.
Das Oktoberfest begann damals, eine Eigendynamik zu entwickeln. Zwar gab es Getränke und Essen nicht mehr gratis, dafür wurde den Besuchern aber auch immer mehr geboten. Es wurde allerdings immer schwieriger, private Geldgeber zu finden. Deshalb entschloss sich die Münchner Stadtverwaltung 1819, das Oktoberfest unter seine Fittiche zu nehmen. Die Geschäftsidee: Wer auf dem Oktoberfest einen Stand oder eine Attraktion anbieten wollte, brauchte eine kostenpflichtige Genehmigung. Im Gegenzug versprachen die Stadtväter mehr Kontinuität und Kontrolle.
Im Jahre 1825 übernahm König Ludwig I. von seinem Vater Maximilian den Thron. Seine erste Aufgabe bestand darin, die enormen Staatsschulden abzubauen. Er war damals 39 Jahre alt und hatte eigentlich andere Pläne. Er wollte seine Residenzstadt schöner und prächtiger machen als jemals zuvor. Erstaunlicherweise gelang ihm die Sanierung der Staatskassen relativ schnell. Nun konnte er daran gehen, sich seinen großen Traum zu erfüllen. Er baute Schlösser, errichtete Denkmäler und ließ Plätze anlegen. Die Ludwigstraße mit ihren Prachtbauten war sein größtes Projekt. Ebenso entstanden auf seine Veranlassung hin die Glyptothek, der Königsplatz, das Siegestor, die Feldherrenhalle und die Pinakothek in München. Dementsprechend liebte die Münchner Künstlerszene »ihren« König Ludwig I.[9]
Anlässlich der Silberhochzeit von König Ludwig I. von Bayern und seiner Frau Therese fand 1835 erstmals ein Trachtenumzug statt. Die beteiligten Trachtler zogen von der Innenstadt auf die Theresienwiese, und dort wurde dann das Oktoberfest eröffnet.
Verwendete Literatur und Quellen
1 https://www.br.de/kinder/oktoberfest-die-wiesn-mit-geschichte-volksfest-kinder-lexikon-100.html
2 https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/kalenderblatt/therese-von-sachsen-hildburghausen-und-der-bayerische-kronprinz-ludwig-heiraten-100.html
3 https://www.br.de/kinder/oktoberfest-die-wiesn-mit-geschichte-volksfest-kinder-lexikon-100.html
4 https://www.muenchen.de/sehenswuerdigkeiten/orte/120448.html#:~:text=Trotz%20ihres%20Namens%20verf%C3%BCgt%20die,Hektar%20%C3%BCber%20keine%20nennenswerte%20Begr%C3%BCnung
5 https://wiesnkini.de/magazin/das-erste-oktoberfest-1810/
6 https://www.bavarikon.de/object/bav:BSB-CMS-0000000000000575
7 https://www.muenchen.de/veranstaltungen/oktoberfest/oktoberfest-guides/geschichte.html#:~:text=17.10.1810%3A%20Die%20Geburtsstunde%3A,fortan%20%22Theresienwiese%22%20genannt%20wird
8 https://www.br.de/kinder/oktoberfest-die-wiesn-mit-geschichte-volksfest-kinder-lexikon-100.html
9 https://www.br.de/kinder/koenig-ludwig-praechtige-bauten-und-eine-schoene-frau-koenige-bayern-kinder-lexikon-100.html
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