Das Augsburger Zeughaus
von Christian Schaller
Ein prunkvoller Renaissancebau als Warnung in einem kriegerischen Zeitalter
Im Herzen der Augsburger Altstadt verbirgt sich in einer Seitenstraße ein Kleinod, das man als unachtsamer Besucher leicht übersehen kann. Direkt hinter dem Fuggerstadtpalast und der Moritzkirche erhebt sich ein nicht minder beeindruckendes Gebäude mit einer prachtvollen Renaissancefassade – das Zeughaus. Obwohl es von außen wie ein kleiner, repräsentativer Palast aussieht, wurde es im Inneren ursprünglich äußerst pragmatisch genutzt. Es war das Waffenarsenal der Reichsstadt Augsburg, die sich als souveräner Stadtstaat im Notfall selbst verteidigen musste, aber auch für seine innere Sicherheit zu sorgen hatte.
Und die war um 1607, im Jahr der Erbauung, mehr als fragwürdig. Der berühmte Baumeister Elias Holl schuf mit dem Bau sein Erstlingswerk, das er als Baustelle von seinem Vorgänger übernahm. Die prächtigen, manieristischen Fassadenentwürfe mit dem charakteristischen Giebel stammen von Joseph Heintz, während die elegante Bronzegruppe über dem Portal vom Bildhauer Hans Reichle und dem Gießer Wolfgang Neidhardt gefertigt wurden. Sie zeigt den heiligen Michael im Kampf gegen den Teufel – von einigen Zeitgenossen als deutliches religionspolitisches Symbol verstanden.

©ChristianSchaller
Um 1600 befand sich das Heilige Römische Reich im Zeitalter der Konfessionalisierung. In der Reichsstadt Augsburg lebten Protestanten und Katholiken auf engstem Raum zusammen. Über die Jahrzehnte kam es immer wieder zu Reibereien. Die Stadtregierung befürchtete, im Notfall eingreifen zu müssen und verlegte darum das Waffenarsenal vom Stadtrand in den sehr viel zentraleren Neubau. Der prunkvolle Renaissancebau sollte nämlich auch eine deutliche Warnung in diesem kriegerischen Zeitalter sein. Nur einen Steinwurf entfernt befanden sich der zentrale Markt- und Festplatz der Stadt, also der Moritzplatz und der Weinmarkt. Bis zu 3000 Soldaten konnten in dem L-förmigen Gebäude untergebracht werden. Und ganz verkehrt lag die Stadt mit ihren Sorgen auch nicht: Nur wenige Jahre später brach der Dreißigjährige Krieg aus.
Erst als er nach drei verheerenden Jahrzehnten durch den Westfälischen Frieden beigelegt wurde, einigten sich die beiden Konfessionen endgültig. Für Augsburg bedeutete das nach mehreren Belagerungen, Eroberungen und einer dezimierten Stadtbevölkerung nun auch endlich Frieden und Stabilität. Gleichzeitig wurde die Lechmetropole zu einer bikonfessionellen Reichsstadt: Um Gerechtigkeit zu gewährleisten, wurden fortan alle städtischen Ämter mit exakt gleich vielen Katholiken und Protestanten besetzt. Dies verteuerte zwar die Bürokratie ungemein, hatte aber auch eine relativ friedliche Koexistenz zur Folge.
Das Zeughaus wurde auch nach dem Ende der Reichsstadtzeit durch das Königreich Bayern als Waffendepot genutzt. Im Jahr 1899 zog dann die Feuerwache in das Gebäude. Als diese 1975 in einen Neubau umzog, renovierte man das Ensemble umfassend und eröffnete wenige Jahre später ein Bildungs- und Begegnungszentrum darin, das bis heute existiert. In der großen Halle im Erdgeschoss, der sogenannten Toskanischen Säulenhalle, wo ursprünglich die Waffen gelagert wurden, werden seitdem Ausstellungen gezeigt. Seit 2015 ist die Halle der vorübergehende Standort der Interimsausstellung des Römischen Museums Augsburg.
Literatur
– Gottlieb, Gunther / u.a. (Hg.): Geschichte der Stadt Augsburg. Von der Römerzeit bis zur Gegenwart. Stuttgart 1984.
– Hagen, Bernt von / Wegener-Hüssen, Angelika: Stadt Augsburg. Ensembles, Baudenkmäler, archäologische Denkmäler (= Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Denkmäler in Bayern, Bd. VII.83). München 1994.
– Miller-Gruber, Renate / Krämer, Gode: 400 Jahre Augsburger Zeughaus. Das reichsstädtische Waffenarsenal von Elias Holl. Augsburg 2007.
– Schülke, Yvonne (Hg.): artguide Augsburg. Kunst-, Kultur- und Stadtführer. Augsburg 2008.

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