Augusta Vindelicum
von Christian Schaller
Augusta Vindelicum – Augsburg in der Römerzeit
Das bayerisch-schwäbische Augsburg ist – neben Orten wie Trier, Kempten oder Worms – eine der ältesten Städte Deutschlands. Als Vorläufer des römischen Augsburgs gilt ein Legionslager an der Wertach auf dem Gebiet des heutigen Augsburg-Oberhausens. Dieses wurde nach dem erfolgreichen Abschluss des Augusteischen Alpenfeldzuges um das Jahr 15 v. Chr. gegründet.
Eine Vorgängersiedlung wurde bislang nicht nachgewiesen. Die keltischen Siedler in der Region wurden von den Römern als Volksstamm der Vindeliker bezeichnet. Sie ergaben sich wohl relativ kampflos, größere Schlachtfelder sind in der gesamten Region bislang nicht entdeckt worden. Im ersten Jahrhundert nach der Zeitenwende erfolgten die langsame Romanisierung und die Einrichtung der Provinz Raetien. Die neu gebauten Straßen und vor allem schiffbare Flüsse wie Donau und Lech ermöglichten einen florierenden Handel.
Die einheimische, keltische Urbevölkerung erfuhr zudem einen massiven Kulturtransfer aus Italien, zusätzlich unterstützt durch eine große Anzahl neu hinzugezogener Siedler. Trotz der baldigen Auflösung des Militärplatzes im Raum Augsburg nur wenige Jahrzehnte nach seiner Gründung wuchs das ursprünglich darum entstandene Zivildorf in den Folgejahren stetig weiter. Zum Schutz vor Hochwasser wurde die junge Siedlung an einen höher gelegenen Ort – in das heutige Domviertel – verlegt.
Die Provinz Raetien erstreckte sich nach letzten Gebietserweiterungen in der frühen Kaiserzeit auf ein relativ großes Gebiet zwischen Alpen und Donau, das bis in die Schweizer Alpen im Süden reichte. Damit verband die Provinz die östlichen Gebiete an der mittleren und unteren Donau, also den heutigen Balkan, mit den römischen Nordwestprovinzen in Gallien und Germanien, also Westeuropa.
Augusta Vindelicum befand sich äußerst günstig gelegen an wichtigen Kreuzungspunkten der Straßenachsen. Darum löste Augsburg am Ende des ersten Jahrhunderts schließlich Cambodunum, das römische Kempten, als raetische Provinzhauptstadt ab. Im Jahr 121 erhielt das zu dieser Zeit bereits florierende Augsburg von Kaiser Hadrian das zweithöchste römische Stadtrecht verliehen. Der neue Name Aelia Augusta verwies fortan sowohl auf Hadrians Familie, das Haus der Aelier, als auch auf den Stadtgründer Augustus.
Das neue municipium erlebte während des gesamten zweiten Jahrhunderts eine Blütezeit als reichsweit bedeutsame Handelsmetropole mit bis zu 20.000 Einwohnern. Als Provinzhauptstadt und Verwaltungszentrum der Provinz Raetien verfügte es über zahlreiche Pracht- und Repräsentationsbauten aus Stein. Thermen, Tempel und eine ausgeklügelte Wasserleitung vollendeten das Bild einer typisch römischen Großstadt.

Die Reichskrise des dritten Jahrhunderts leitete jedoch ein Absinken des Lebensstandards, partielle Verwüstungen sowie eine gewisse Entvölkerung ein. Nach großen Rückschlägen mussten im Jahr 260 sogar alle Gebiete nördlich der Donau und östlich des Rheins an die immer weiter ins Reich eindringenden Alamannen, einen germanischen Stamm, abgetreten werden. Erst durch tiefgreifende Reformen unter den Kaisern Diocletian und Konstantin dem Großen konnte sich das Römische Reich im späten dritten und frühen vierten Jahrhundert noch einmal konsolidieren und die Grenzverteidigung entlang des Limes größtenteils aufrechterhalten.
Augsburg blieb auch in der folgenden Spätantike und Völkerwanderungszeit ein städtisches Zentrum. Die Stadt befand sich fortwährend im Spannungsfeld zwischen der romanisierten Provinzbevölkerung, den Alamannen im Westen sowie einer Vielzahl an germanischen Stämmen wie den Goten, Franken und Langobarden. Zunehmend vermischten sich diese Bevölkerungsgruppen mit den romanischen Bewohnern. Es fand keine schnelle, gewaltsame Eroberung statt. Vielmehr erfolgten über mehrere Generationen hinweg eine langsame Ethnogenese und ein schrittweises Erlöschen der römischen Zentralmacht in Raetien. Die Vermischung von romanischer und germanischer Kultur markierte zusammen mit der fortschreitenden Christianisierung den allmählichen Übergang zum frühen Mittelalter.
So lässt sich in Augsburg eine durchgehende Siedlungskontinuität von der Antike bis zum Mittelalter und damit auch bis zur heutigen Zeit nachweisen. Auch wenn die sichtbaren Spuren der Römer gegenwärtig rar gesäht sein mögen, so bestimmen sie dennoch ganz massiv das heutige Stadtbild. Im frühen Mittelalter etablierte sich ein Bischofssitz im ehemaligen Herzen der alten, mittlerweile stark geschrumpften Römerstadt, der zur Keimzelle des heutigen Augsburgs werden sollte. Aus dieser mit Holzpalisaden umfriedeten Domburg führte nach wie vor die römische Straße Via Claudia Richtung Süden.
An ihr siedelten sich über die Jahrhunderte Kaufleute und Handwerker an – dies sollte das mittelalterliche und frühneuzeitliche Zentrum der ab 1276 Freien Reichsstadt Augsburg werden. Nach römischer Sitte lagen die Gräberfelder außerhalb der Städte und entlang der Ausfallstraßen. Aufgrund eines christlichen Märtyrergrabes – der Grablege der heiligen Afra – entwickelte sich aus eben einem solchen antiken Friedhof das spätere Benediktinerkloster St. Ulrich und Afra, welches noch heute das südliche Stadtbild Augsburgs dominiert.
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Verwendete Literatur
- Bakker, Lothar: Siedlungsgeschichte und archäologische Denkmalpflege in Augsburg. In: Hagen, Bernt von / Wegener-Hüssen, Angelika: Stadt Augsburg. Ensembles, Baudenkmäler, archäologische Denkmäler (= Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Denkmäler in Bayern, Bd. VII.83). München 1994, S. XLV-LVI.
- Bakker, Lothar: Zur Topographie der Provinzhauptstadt Augusta Vindelicum. In: Gottlieb, Gunther u.a. (Hg.): Geschichte der Stadt Augsburg. Von der Römerzeit bis zur Gegenwart. 2. Aufl. Stuttgart 1984, S. 31–50.
- Czysz, Wolfgang / Dietz, Karlheinz / Fischer, Thomas (Hg.): Die Römer in Bayern. Hamburg 2005.
- Roeck, Bernd: Geschichte Augsburgs. München 2005.