Albertus Magnus – Patron der Universität zu Köln
von Berno Maria Hübinger
Es gibt eine für Köln bedeutsame Jahreszahl, die sich selbst die Kinder gut merken können. Man nimmt die eins, verdoppelt sie zur zwei, dann zur vier und dann zur acht.
Heraus kommt das Jahr 1248, und das ist das Jahr der Grundsteinlegung zum Bau des Kölner Doms. Im selben Jahr kommt der Dominikaner Albertus von Paris nach Köln in das Kloster in der Stolkgasse.
Albertus oder Albert, wie er bei seiner Geburt heißt, wird um 1200 in Lauingen an der Donau geboren. In jungen Jahren schließt er sich der Ordensgemeinschaft des Dominikus von Kastilien an. Im Zeitalter der Kreuzzüge will der Orden die Häresie bekämpfen, weniger mit Schwert und Lanze als mit gelehrten Worten, was den Dominikanern den Beinamen »Predigerorden« einbringt. Albertus kommt um 1223 nach Köln in die Stolkgasse zum Noviziat und wird nach ersten theologischen Studien zum Priester geweiht.
Das Lehren scheint ihm im Blut zu liegen, denn in den folgenden Jahren unterrichtet er an mehreren Klosterschulen und verfasst erste Schriften. Als Jordan von Sachsen, der Nachfolger von Dominikus, stirbt, wird Albertus auf dem Ordenskapitel in Bologna sogar als Ordensgeneral vorgeschlagen. Wer weiß, welchen Lauf Albertus‘ Vita genommen hätte, wäre er in diese herausgehobene Position gewählt worden. Stattdessen geht er 1243 nach Paris an ein theologisches Kolleg, das später nach Robert von Sorbon, dem Hofkaplan von Ludwig IX., einfach nur die »Sorbonne« genannt wird. Hier erwirbt er seinen Magister und ist selbst drei Jahre als Lehrer tätig, bevor ihn sein Weg zurück nach Köln führt.
Das Kloster in der Stolkgasse gehört zu den ersten Ordensniederlassungen der Dominikaner im europäischen Raum. Die benachbarten Stiftsherren von St. Andreas überlassen den Dominikanern dort zur Einrichtung eines Klosters das Hospital »Maria Magdalena«. Mit der Reliquie vom Kreuz Jesu, die Albertus aus Paris mitbringt, bekommt es nun den Namen »Heilig-Kreuz-Kloster«. Hier beginnt Albertus mit dem Aufbau eines Studium Generale, inspiriert durch seine Pariser Lehrjahre.
Das Besondere am Studium an der Sorbonne, wie Albertus es kennengelernt hat, ist die Art der Wissensvermittlung. Vorbei ist die Zeit des autoritären Lehrens von überlieferten Glaubenssätzen an den Dom- und Klosterschulen. »Scholastik« nennt sich die neue Methode, die die »quaestio« erlaubt, die Fragestellung, und die »disputatio«, die Beantwortung; mit diesem Verfahren will man den Lehrstoff durchdringen. Als Grundstudium dienen die Septem artes liberales, die sieben freien Künste der Antike, und zur Durchdringung des Lehrstoffes wird insbesondere die Dialektik angewandt. Kein Wunder, dass sich Albertus zu den Schriften des Aristoteles hingezogen fühlt und selbst Vorlesungen zur »Nikomachischen Ethik« anbietet.
Der Ruf des Studium Generale in Köln ist hervorragend und zieht Studenten aus ganz Europa an. Als bedeutendster Schüler gilt der Italiener Thomas von Aquin, der Albertus von Paris nach Köln folgt. Gemeinsam mit den Lehrenden bilden er und all die anderen Studenten die »universitas magistrorum et scholarium«, eine Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden. Mit dieser alle Gesellschaftsschichten übergreifenden Gemeinschaft erfüllt das Studium in Köln ein erstes Merkmal, das später eine Universität prägen wird. Da Albertus jedoch keinen akademischen Grad verleihen darf, muss Thomas von Aquin zur Promotion zurück nach Paris reisen.
Aber nicht nur für Studierende, auch für die Zunft der Brauer ist das Wirken von Albertus in Köln ein Segen. Als die Zunft eine Bruderschaft gründet, um das religiöse Leben in ihrer Zunftgemeinschaft zu stärken, vermittelt Albertus den Brauern einen Schutzpatron. Ein Dominikaner namens Petrus, geboren in Verona, ist tätig als Inquisitor im Kreuzzug gegen die Katharer, die »Reinen«, die sich gerade in Frankreich und Oberitalien gefährlich ausbreiten. Mit dem Verfahren der »inquisitio«, der Erforschung, wird er die Glaubenstreue der Katharer prüfen, die, abgeleitet von diesem Namen, nur noch »Ketzer« genannt werden.
Frei nach den Prinzipien der Scholastik folgt der »quaestio«, der Fragestellung durch den Ankläger, die »disputatio«, die Beantwortung, wobei der Ketzer tunlichst die richtigen Antworten geben sollte, um einer Folter zu entgehen. 1252 wird Petrus auf dem Weg nach Mailand von aufsässigen Ketzern ermordet und bereits ein Jahr später vom Papst heiliggesprochen. Diesen Heiligen Petrus von Mailand, wie er nach seinem Tod genannt wird, wählen die Brauer zu ihrem Schutzpatron. Ein Wandrelief über dem Eingang zum Brauhaus Früh zeigt ihn und ein Schwert, das seinen Kopf spaltet. »Petrus Martyr« lautet sein Name auf dem Relief, und wegen der Todesart wird er – kurioserweise – als Schutzpatron gegen Kopfschmerzen verehrt.
Aber auch im Einsatz für die Stadt Köln beweist Albertus großes Verhandlungsgeschick: In der Dauerfehde zwischen dem Erzbischof und der Stadt vertritt er in zwei Schiedsverfahren, dem »Kleinen Schied« 1252 und dem »Großen Schied« 1258, die Interessen der Bürger.
Für den Stadtsäckel besonders ertragreich ist sein Einfluss, als er der Stadt gegen den Widerstand des Erzbischofs den hälftigen Zugriff auf die Biersteuer sichert.
1280 stirbt Albertus, acht Jahre vor einer Schlacht, die die politischen Verhältnisse in Köln dramatisch verändern wird. Wieder einmal stehen sich der Erzbischof und die Bürger unversöhnlich gegenüber. Selbst Albertus wäre es wohl nicht gelungen, den Erzbischof zu einer friedlichen Beilegung des Konflikts zu bewegen. Denn es geht um einen territorialen Machtanspruch. Man streitet um das Erbe des Herzogtums Limburg, zunächst am Verhandlungstisch, dann auf dem Schlachtfeld:
Im Jahr 1288 stoßen die Truppen in Worringen aufeinander, auf der einen Seite der Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg mit den Grafen von Geldern und Luxemburg, auf der anderen Seite der Herzog Johann I. von Brabant mit den Grafen von Berg und von der Mark, um nur die wichtigsten der vielen beteiligten Kampfgruppen zu nennen. Die Schlacht beginnt in der Früh nach der Morgenmesse.
Nach anfänglichen heftigen Attacken der Truppen des Erzbischofs schlägt die geballte Kraft des Brabanters zurück, vereint mit den Kölner Bürgern und bergischen und märkischen Bauern. An der Spitze des Kölner Fußvolks kämpft der Patrizier Gerhard Overstolzen, Repräsentant einer der einflussreichsten Familien Kölns. In den Nachmittagsstunden wird der Erzbischof gefangen genommen, die Schlacht ist für den Herzog von Brabant und die Kölner Bürger siegreich entschieden. Gerhard Overstolzen ist gefallen.
Die Gaffeln sind die gewählten Abgeordneten der über 40 Kölner Zünfte und Kaufmannsvereinigungen. Zuvor aber landen die selbstbewussten Bürger einen spektakulären Coup, mit dem sie das Wirken des Albertus endgültig krönen. Denn 1388 unterzeichnet Papst Urban VI. die Gründungsurkunde der Universität zu Köln.
Die Kölner nutzen die Gunst der Stunde, denn es gibt zwei Päpste, die gegeneinander konkurrieren, auch mit Gründungen von Universitäten. Das erfährt die Stadt Erfurt am eigenen Leib. Urban VI., gebürtiger Neapolitaner, ist Papst in Rom, sein Kontrahent, Gegenpapst Clemens VII., gebürtig in Annecy, beansprucht den Stuhl Petri im französischen Avignon. 1378 drängt die Stadt Erfurt beim »Franzosen« auf die Gründung einer Universität und erhält prompt ein Jahr später seine Stiftungsbulle. Als aber der Erfurter Landesherr, Erzbischof Adolf von Mainz, kurz darauf auf die Seite des »Italieners« wechselt, wird die geplante Eröffnung der Universität abgesagt und die Stiftungsbulle hinfällig. Also wendet man sich nach dem Vorbild der Kölner an Urban VI. Der lässt sich nicht lange bitten und genehmigt 1389 den Erfurtern ein Jahr nach den Kölnern ihre Universität.
Die Kölner Universitätsgründung durch die Initiative des Rates einer Stadt ist ein Novum. Köln gehört zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, und in diesem Reich gibt es bereits drei Universitäten. 1348 gründet Karl IV. als König von Böhmen die Karls-Universität in Prag. In Wien gründet Rudolf IV., Herzog über Österreich, 1365 seine Alma Mater Rudolphina, und Ruprecht I., Kurfürst der Pfalz, gründet 1386 in Heidelberg die Ruprecht-Karls-Universität. Allen drei Universitäten ist gemeinsam, dass sie von mächtigen Landesfürsten gegründet werden. In diesen auserlesenen Kreis stoßen die Kölner Bürger mit ihrer Universitätsgründung vor. Gerechtfertigt wird der Titel einer »universitas« durch das vom Papst verliehene Privileg, einen Doktortitel in allen Fakultäten verleihen zu dürfen.
In Köln werden es nach dem Vorbild der Pariser Universität vier Fakultäten sein, die einführende Fakultät der Artes, vormals das Studium Generale, und die höheren Fakultäten der Theologie, der Jurisprudenz und der Medizin. Der Schwerpunkt wird für lange Zeit auf der Theologie liegen, durch das Wirken des Albertus und seiner Generalstudien auf das Beste vorbereitet. Diese Konzentration auf eine herausragende Fakultät ist für die ersten Universitäten charakteristisch.
In Salerno entsteht eine medizinische Lehranstalt, weswegen die Stadt mit dem Beinamen »Stadt des Hippokrates« geschmückt wird. In Bologna, um 1088 aus dem Zusammenwachsen kleinerer Rechtsschulen entstanden und gerne als älteste Universität angesehen, dominiert die Jurisprudenz. Nicht der Papst, sondern Kaiser Barbarossa stellt Bologna im Jahr 1156 mit dem »Scholarenprivileg« unter seinen Schutz, denn er will eine Ausbildung von Rechtsgelehrten unabhängig von schriftkundigen Mönchen und Geistlichen.
Am Dreikönigstag 1389 wird der Lehrbetrieb an der Kölner Universität mit einer Vorlesung über Jesaja mit den treffenden Worten eröffnet: »Siehe es kommt Dein Licht: die Herrlichkeit des Herrn ging strahlend auf über Dir.«1
Die »universitas«, die Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden, lebt in Bursen. Diese Häuser geben den Zugereisten in der Fremde Halt und schaffen Vertrauen in die Beziehung zu den Lehrenden.
Die Wohlhabenden wohnen in den Hauptbursen, in der Montana, der Laurentiana, der Cornelia, oftmals mit Stiftungsvermögen ausgestattet. Für die weniger Betuchten gibt es Plätze in Armenbursen. Allen gemeinsam ist das muntere Studentenleben, befreit von allen Zwängen der Klosterschulen, mit Raufereien zwischen den Bursen, makabren Aufnahmeriten der Neuen, Bordellbesuchen und unerlaubtem Weiterverkauf des Freibiers, das die Stadt jedem Universitätsangehörigen gestattet.
Während in der Medizin ein Bücherstudium vorherrscht – eine erste Leichensezierung wird erst Ende des 15. Jahrhunderts erlaubt sein – und das Rechtsstudium vornehmlich den Adligen zur Verfügung steht, genießt die Kölner Theologie in Europa hohes Ansehen. Es dominieren die »Albertisten« und »Thomisten«, die sich in ihren Lehren über Glaube, Vernunft, Tugend und Natur jeweils auf die Lehre des Albertus oder des Thomas von Aquin beziehen. Ihre Intention ist eine wissenschaftliche Durchdringung des moralischen, tugendhaften Handelns – die Grundlagen einer fundierten Moraltheologie.
Weniger moralisch tugendhaft fallen die Begutachtungen der Kölner Theologen in der Beurteilung von Irrlehren aus. Die Lehren eines Jan Hus werden verurteilt, und die Kölner Gesandtschaft, die sich im Konzil von Konstanz erfolgreich um Beschaffung von Pfründen bemüht, sieht tatenlos mit an, wie Jan Hus trotz der Zusage eines freien Geleits vor Ort verurteilt und verbrannt wird. Noch bedenkenswerter ist, dass die Professorenschaft den »Hexenhammer« der Dominikaner Jakob Sprenger und Heinrich Kramer billigt, ein Machwerk zur Identifikation und Verurteilung von Hexen und deren Verkehr mit dem Teufel. Die Erfindung des Buchdrucks trägt unglückseligerweise dazu bei, dass dieses Werk eine rasche Verbreitung erfährt.
Die Kraft des Buchdrucks hilft auch dem Geschehen im Februar 1519: Die theologische Fakultät der Universität Löwen übersendet den Kölner Kollegen eine Schrift Luthers und bittet um eine Beurteilung. Das Urteil der Kölner Fakultät ist eindeutig. Luthers Schrift enthalte entsetzliche Irrtümer und Häresien, so die Theologen. Das Buch gehöre verbrannt, und genau das geschieht ein Jahr später auf dem Domhof. Die Universität verlangt fortan das Bekenntnis zum katholischen Glauben als Voraussetzung zur Immatrikulation, und die mit Luther sympathisierenden Gelehrten müssen die Universität verlassen.
Dennoch werden seitens der Erzbischöfe Versuche unternommen, die Kirche in Köln zu reformieren. Erzbischof Hermann von Wied, zunächst gegen jegliche Neuerung, lernt durch persönliche Begegnungen mit Reformatoren die neue Bewegung zu schätzen, woraufhin ihn Papst Paul III. 1546 exkommuniziert. Spektakulärer ist das Vorgehen von Erzbischof Gebhard von Waldburg. Der erklärt 1582 nach seiner Hochzeit mit der Nonne Agnes von Mansfeld den Übertritt des Erzbistums Köln zum Protestantismus.
Da droht nun ernste Gefahr, denn seit 1356 wählen sieben Kurfürsten gemäß der unter Karl IV. verkündeten Goldenen Bulle den zukünftigen König. Die drei Kurfürsten in Sachsen, Brandenburg und der Pfalz bekennen sich bereits zum Protestantismus. Mit dem Abfall des Kölner Erzbischofs wären die Katholiken mit dem böhmischen König und den beiden Erzbischöfen von Mainz und Trier erstmalig in der Minderheit.
Um die Schmach des Machtverlusts zu verhindern, holt die katholische Seite zum Gegenschlag aus. Das Domkapitel wählt Ernst von Bayern zum Gegen-Erzbischof, und dessen Bruder, Herzog Wilhelm V. von Bayern, schickt bayrisch-spanische Truppen nach Köln. Der abtrünnige Gebhard von Waldburg wird vertrieben, und Ernst von Bayern läutet eine schillernde Epoche von bayrischen Erzbischöfen in Köln ein. Ernst selbst lebt mit seiner Geliebten Gertrud von Plettenberg zusammen, liebt das Leben, die Liebe und die Jagd in den Wäldern rund um Arnsberg. Übertroffen wird er von Clemens August, Erbauer der Lust- und Jagdschlösser Poppelsdorf, Augustusburg und Falkenlust, mit seinem Hofzeremoniell Ludwig XIV. nacheifernd. Bei beiden ist keine Heirat zu befürchten, das Mätressentum ist fest im katholischen Leben verankert.
Die Kölner Universität bekommt in diesen stürmischen Zeiten tatkräftige Unterstützung durch den von Ignatius von Loyola 1540 gegründeten papsttreuen Orden der Jesuiten. Bereits 1557 übernehmen die Jesuiten das Tricoronatum, neben dem Montanum und Laurentianum eines der drei führenden Gymnasien der Stadt. Die Gymnasien sind eine Neuschöpfung des 15. Jahrhunderts, aus den Bursen entstanden und auf die Lehre der Septem artes ausgerichtet. Mit der Graduierung am Gymnasium wird das vormalige Studium der Artes hinfällig, eine direkte Aufnahme in die höhere Fakultät der Theologie, Medizin oder Jurisprudenz ist jetzt möglich.
Trotz ihrer Verdienste um Köln werden die an der Universität lehrenden Jesuiten argwöhnisch beäugt, denn der Stadtrat befürchtet, dass diese dynamischen Männer der Universität ihre Ordensordnung aufdrängen. Herausgefordert werden sie 1631. Die anonyme Schrift »cautio criminalis« wird veröffentlicht, ein rechtlicher Vorbehalt über die Prozesse gegen Hexen. Endlich wagt eine öffentliche Stimme, die Tortur der Hexenprozesse anzuprangern und ihre Rechtmäßigkeit in Frage zu stellen. Der Verfasser, der Jesuit Friedrich Spee, ist schnell ermittelt. Die Bestrafung des Ordens folgt sofort. Spee wird nach Trier versetzt zur Tätigkeit in Gefängnissen und Krankenhäusern, wo er sich bei pestkranken Soldaten ansteckt und nach kurzer Zeit verstirbt.
Das Ende des 18. Jahrhunderts bringt für die Kölner Universität folgenreiche Turbulenzen. Als 1773 Papst Clemens XIV. den Jesuitenorden aufhebt, muss das Bonner Jesuitengymnasium seine Vorlesungen einstellen. Jetzt sehen die Bonner ihre große Chance gekommen. Sie gründen eine Akademie, die schon 1786 von Kaiser Franz II. zur Universität erhoben wird. Bis 1798 bleibt ein Lehrbetrieb der Bonner Universität erhalten, dann ereilt die Bonner Universität das Schicksal aller Universitäten, denn die französischen Revolutionäre führen ein neues System der akademischen Bildung ein.
Man will die Bildung des dritten Stands, des Bürgers, zeitgemäß gestalten und statt einer vermeintlich unnützen Theologie nützliche Fächer wie Staatenkunde und Wirtschaftsökonomie lehren. Die Universitäten werden ersetzt durch Zentralschulen wie die École Polytechnique in Paris. In Köln, das seit 1802 mit seinem linken Rheinufer zu Frankreich gehört, werden mehrere Zentralschulen eingerichtet. An der Zentralschule für Geschichte der Literatur lehrt Friedrich Schlegel, der 1804 von Paris nach Köln kommt. Schlegels besonderes Interesse gilt der Gotik und er wird für den Weiterbau des Doms plädieren. Für seine Frau Dorothea, die Tochter von Moses Mendelssohn, ist die Begeisterung für Köln ambivalent. Sie ist begeistert von den Kunstschätzen, empfindet aber wie viele Reisende dieser Zeit das Stadtbild als schmutzig und verwahrlost.
Sulpiz Boisserée, ein Freund Schlegels aus gemeinsamen Tagen in Paris, bemüht sich 1814 nach Abzug der Franzosen, die Universität wieder einzurichten, und verspricht, im Falle der Wiedereröffnung seine Gemäldesammlung aus dem kurpfälzischen Heidelberg zurück nach Köln zu bringen. Doch im Kampf der beiden Kontrahenten Bonn und Köln um die Gunst des Preußischen Königs unterliegen die Kölner. Vielleicht missfällt dem protestantischen König der Ruf der Kölner Universität als katholische Universität oder er hört auf den in Bonn vorgesehenen Lehrstuhlinhaber Ernst Moritz Arndt, der vor einem wiederauflebenden freiheitsfeindlichen Kölner Jesuitentum warnt.
Jedenfalls ernennt König Friedrich Wilhelm IV. 1818 Bonn zum Sitz der neuen Rheinischen Universität. Zudem bekommt die Universität seinen Namen, die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität. Das ist der einzige Trost, der den Kölnern bleibt. Denn hätte Friedrich Wilhelm die Kölner Universität wieder in Betrieb genommen, dann trüge sie heute den Namen eines protestantischen preußischen Königs.
Die geschlossene altehrwürdige Kölner Universität treibt den Kölner Gustav Mevissen im ausgehenden 19. Jahrhundert zum Handeln an. Mevissen ist erfolgreicher Unternehmer, Direktionsmitglied der Rheinischen Eisenbahngesellschaft und Mitbegründer der Transportversicherung Agrippina. Er sieht die technische Weiterentwicklung der Industrie in seiner Stadt und die Notwendigkeit einer Ausbildung in technischen und in Handelsdisziplinen. Seine Bemühungen um die Einrichtung einer technischen Hochschule scheitern an der Konkurrenz aus Aachen. Im Jahr 1863 sichert König Wilhelm I. per königlichem Erlass der Stadt Aachen die Einrichtung der Königlich Rheinisch-Westfälischen Polytechnischen Schule zu. Beim Kampf um die Einrichtung einer Handelshochschule, die die Abläufe im wirtschaftlichen und kaufmännischen Leben untersucht, ist Mevissen jedoch erfolgreich. 1901 wird die Handelshochschule in Köln gegründet, ausgestattet mit einem von Mevissen angesammelten üppigen Stiftungsvermögen.
Ihr Domizil findet die Handelshochschule in dem 1899 erbauten neogotischen Prachtbau am Hansaring. Die Zahlen der Hörer verdreifachen sich bereits nach zwei Jahren. Zudem werden mit Erlass vom Jahr 1907 dank des emanzipatorischen Kampfes von Mathilde Mevissen, der Tochter Gustav Mevissens, Damen an der Hochschule zugelassen. Der immense Zuwachs an Studierenden führt bereits 1907 zur Einweihung eines repräsentativen Neubaus in der Claudiusstraße.
Als Konrad Adenauer Oberbürgermeister der Stadt Köln wird, stellt er unmissverständlich klar, dass Köln wieder eine Universität haben müsse. Die ehemals deutsche Hochschule Straßburg ist an Frankreich verloren, eine Kölner Universität müsse, laut Adenauer, dem französischen Einfluss ein Bollwerk deutschen Geistes und Wissenschaft entgegensetzen. 1919 ist es soweit. Im Gürzenich wird gefeiert, jedoch findet formal keine Wiedereröffnung der Alten Universität statt, sondern die Gründungsfeier der Neuen Universität Köln. Bestätigt werden in der Feier eine Medizinische, eine Juristische, eine Philosophische und eine Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, in der die Handelshochschule per Vertrag aufgeht.
Die Wiederbelebung der ehemals omnipräsenten Theologischen Fakultät scheitert, die Generalstudien eines Albertus haben ihren Dienst getan. Der Bedarf an einer Katholisch-Theologischen Fakultät im Rheinland sei durch die Universität Bonn vollends gedeckt, lautet die Nachricht aus dem Preußischen Ministerium. Auch der katholische Adenauer, dem die Einrichtung einer Katholisch-Theologischen Fakultät in Köln ein Herzenswunsch gewesen war, akzeptiert die Entscheidung mit seinem untrüglichen Gespür für das Machbare.
Als erfolgreich erweist sich wenig später Adenauers Einsatz für einen Neubau der Universität. Adolf Abel, der Stadtbaudirektor, Erbauer der Alten Messe und der nach ihm benannten Abelbauten im Sportpark Müngersdorf, entwirft im Stil der neuen Sachlichkeit das heutige Gebäudeensemble. Bei der Einweihung 1934 prangt über dem Eingang ein Hakenkreuz, und die Hauptrepräsentanten für den Neubau, Oberbürgermeister Konrad Adenauer und Rektor Christian Eckert, fehlen bei der Zeremonie. Sie sind bereits schmachvoll aus ihren Ämtern gejagt worden.
Vor dem Haupteingang steht heute eine ausdrucksstarke Bronzefigur. Es ist Albertus, der Dominikaner und Begründer der ersten Generalstudien in Köln. Wie der Karolinger Karl trägt er seit dem Mittelalter den Zusatztitel »magnus«, der Große. So heißt auch der Platz vor der Universität Albertus-Magnus-Platz. Hier sitzt Albertus in würdevoller Pose, einen aufgeschlagenen Folianten auf seinem Schoß haltend, den linken Arm aufgestützt, die Augen ins Innere gewandt. Gerhard Marcks erschafft diese Bronzefigur in seinem Kölner Atelier im Jahr 1956, Albertus Magnus als Sinnbild für eine umfassende Gelehrsamkeit.
Die Universität Köln, vor dessen Eingang er sinniert, trägt jedoch nicht seinen Namen, auch nicht den Namen eines preußischen Königs. Stattdessen verleiht die Stadt der Kölner Universität Ende der 40er Jahre den Namen »Universität zu Köln«. Das Hinzufügen des Wörtchens »zu« soll hervorheben, dass die Universität von Bürgern gegründet wurde. Es ist nur eine kleine Veränderung im Namen, aber eine große Veränderung im Selbstbewusstsein der Kölner.

St. Andreas in Köln, © Berno Maria Hübinger
Die Erinnerung an Albertus Magnus lebt in Köln in der ehemaligen Stiftskirche St. Andreas weiter. Dort sind die Dominikaner 1957 eingezogen, nachdem ihr Kloster in der Stolkgasse im Zuge der Säkularisation abgerissen wurde. Mitgebracht haben sie die Gebeine des Albertus. Die ruhen in einem Sarkophag in der Krypta der Kirche. In den Querhäusern empfangen den Besucher Fenster in leuchtenden Farben. Markus Lüpertz, exzentrischer Maler und über Jahre Rektor der Düsseldorfer Kunstakademie, ist mit den Dominikanern übereingekommen, diese Fenster zu gestalten. Im Südchor, wo der goldene Schrein der Makkabäer im Mittelpunkt steht, thematisiert er in den Fenstern das Martyrium der Salome und ihrer sieben Söhne aus dem zweiten Buch der Makkabäer.
Im Nordchor widmet er die Fenster ganz Albertus Magnus. Albertus hat auf päpstliche Weisung hin zwei Jahre lang in Regensburg demütig und in einfacher Lebensführung als Bischof amtiert. Als dann im 14. Jahrhundert im Süddeutschen in einem Mahnbild eine Neun-Punkte-Lehre für ein gottgefälliges Leben illustriert wird, nennt man dieses Mahnbild in Erinnerung an Albertus und seine früheren Predigttexte die »Albertitafel«. Das Mahnbild findet eine lokale Verbreitung in den alten Bistumsgrenzen von Freising und Salzburg, im restlichen Reich bleibt es nahezu unbekannt.
Diese Albertitafel dient Lüpertz als Vorlage zur Ausmalung der Fenster. Es sind neun Szenenpaare mit These und Antithese, eine Dialektik ganz im Sinne des Albertus: »Wenn du allen deinen Feinden verzeihen tust, so ist es mir lieber, als wenn du barfuß auf dem Jakobswege gingest« oder »Wenn du dich für den geringsten Menschen abgibst, so ist es mir lieber, als wenn du Brücken über alle großen Wasser bauetest.«2 Das Vermächtnis des Albertus schaut mit seiner Neun-Punkte-Lehre auf uns herunter und veredelt die Bergpredigt, die bereits für alle Zeiten festgeschrieben hat: »Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, denn sie werden gesättigt werden.« (Mt 5,1-12).
Fußnoten, Literatur
1 Meuthen S.57
2 Nitz, S.12
Heimbüchel, Bernd/ Pabst, Klaus: Das 19. u. 20. Jahrhundert. Band 2. In: Senatskommission für die Geschichte der Universität zu Köln (Hg.): Kölner Universitätsgeschichte. Köln 1988
Meuthen, Ulrich: Die alte Universität. Band 1. In: Senatskommission für die Geschichte der Universität zu Köln (Hg.): Kölner Universitätsgeschichte. Köln 1988
Nitz, Genoveva: Albertus Magnus in der Volkskunst – Die Alberti-Tafeln. München 1980 Schwerhoff, Gerd: Köln im Ancien Regime. Geschichte der Stadt Köln, Band 7. Köln 2017
Stehkämper, Hugo/ Dietmar, Carl: Köln im Hochmittelalter. Geschichte der Stadt Köln, Band 3. Köln 2016
von den Brincken, Anna Dorothee: »In supreme dignitatis«. Zur Gründungsurkunde Papst Urbans VI vom 21. Mai 1388. In: Helmrath, Johannes u.a. (Hg.) Geschichte in Köln 23. Köln 1988 unter: https://www.vr-elibrary.de/doi/pdf/10.7788/gik.1988.23.1.masthead

Köln – Stadt- und Kulturgeschichten
Geschrieben vom enthusiastischen Köln-Kenner Berno Maria Hübinger, entführen diese Kulturgeschichten den Leser in eine der aufregendsten Städte Deutschlands: historisch und unterhaltsam, hintergründig und kabarettistisch.
Verwendete Literatur
Heinen, Heinz: Konstantin der Große – Leben und Werk. In: Bistum Trier (Hg.) Konstantin und Europa. Dillingen 2007
Norwich, John J.: Byzanz – Aufstieg und Fall eines Weltreichs. Berlin 2010
Schade, Oskar: Die Sage von der Heiligen Ursula und den Elftausend Jungfrauen: Ein Beitrag Zur Sagenforschung. Hannover 1854 (reproduction of a book published before 1923)
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